Stille Tage in Feldgrün an der Côte d’Azur
[...] Der Stil ist der typisch franco-italienische, irgendwo zwischen ligne claire und Abenteuercomic. Dadurch wirkt häufig alles so still und beschaulich, so sauber und aufgeräumt. Dieser Stil eignet sich außerdem gut für eine leicht melancholische, groß angelegte Erzählung eines Menschen, der ein wenig verlegen durchs Leben geht, eher abseits steht und ein Beobachter ist. Auf der anderen Seite ermöglicht es gerade diese Ruhe, dass die Graphic Novel sich die Zeit nimmt, um die Charaktere und deren Beziehungen untereinander, ihre Gefühlslagen sowie ihre Sympathien und Antipathien zu zeichnen.
[...] Selten wird die Darstellung dabei so geschichtsdidaktisch, dass es der Erzählung schadet. So ist es aber beispielsweise in der Szene vom Dezember 1932, als zwei führende Sozialdemokraten sich widerstandslos von der Polizei abführen lassen. Einer der Festgenommenen fasst die Zeitgeschichte schnell in einer Erläuterung zusammen und liefert gleich eine Erklärung dafür mit, warum die Deutschen so handelten, wie sie es taten. Wenn aber für die angebliche Flucht aus der sozialen Not zu den Nazis viel Verständnis gezeigt wird, dann transportiert die Geschichtsdidaktik weniger als ungefähres Halbwissen. Auch schwebt selten, aber immer wieder, die Stimme Martins über der Erzählung, der von einem unbestimmten Punkt aus, der nach 1942 liegen muss, vom Januar 1933 zu sagen weiß, dass er, wie die meisten Deutschen, blind für die Entwicklung gewesen sei und sich noch kein klares Bild habe machen können. Wieso er blind war und inwieweit dies vielleicht seine eigene Schuld war, dazu sagt er nichts.
Die Graphic Novel gibt einen Vorblick auf das, was historisch noch kommen wird. An einer Stelle tut sie es in einer für Comics typischen Weise, indem sie die Nazis Tiere anstelle von Menschen ermorden lässt. Damit aber scheut sie zum einen auf ungebührliche Weise davor zurück, die Epoche so darzustellen, wie sie nun mal war. Zum anderen kann man den Nazis eines bestimmt nicht vorwerfen, nämlich dass sie Tierquäler gewesen wären. Ganz im Gegenteil gingen bei ihnen Tierliebe und Menschenschinderei nicht ohne Grund ineins.
Lesezeichen