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Thema: Comic-Stammtisch Wunschtitel: Garulfo

  1. #1
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Post Comic-Stammtisch Wunschtitel: Garulfo

    Garulfo




    Orginaltitel: Garulfo:
    Tome 1: De mares en châteaux (12/1994) - Delcourt
    Tome 2: De mal en pis (03/1996) - Delcourt
    Verlag: Splitter – Band 1 + 2
    Deutsche Veröffentlichung: Juli 1995 + Sept. 1996
    Autor: Alain Ayroles
    Zeichner: Bruno Maïorana

    Band 1 wurde im Januar 2004 nochmals von Kult Editionen veröffentlicht.
    Von der Splitter-Ausgabe, welche die Bände 1-4 veröffentliche, besteht noch eine auf 500 Exemplare lim. Hardcoverversion.

    Noch eine kleine Anmerkung am Rande:
    Die Serie ist mit Band 5 beendet – leider wurde bisher dieser Band noch nicht in Deutschland veröffentlicht!



    Szenario: Alain Ayroles

    Geboren am 26.1.1968 in Saint Céré im Departement Lot.
    Ayroles studierte an von 1986 bis 1990 der Ecole Régionale des Beaux Arts d’Angoulême, und arbeitete danach im Animationsbereich. Außerdem veröffentlichte er einige Comicarbeiten in verschiedenen Anthologien.
    Gegen Mitte der 90iger Jahre gelang es ihm, zwei seiner Serienkonzepte bei Delcourt unterzubringen: Des Capes et des Crocs (dt. „Mit Mantel und Degen“), das in Zusammenarbeit mit seinem Freund Jean-Luc Masbou aus einem selbstentwickelten Rollenspielsystem entstanden war, und Garulfo.
    Beiden Serien ist gemeinsam, dass sie eine fantasievolle Mischung aus Humor und Abenteuer bieten und sprechende Tiere als Protagonisten haben.
    Über Ayroles neuestes Projekt (das er sowohl schreibt als auch zeichnet) ist noch nichts bekannt, der Autor selbst beschreibt es allerdings als „existenzialistischen Heroic Fantasy-Road Movie“
    [Quellen: Wikipedia.fr, Delcourt, Kult Editionen]



    Zeichnungen: Bruno Maïorana

    Geboren am 23.12.1966 in Angoulême.
    Auch Maïorana studierte an der Ecole Régionale des Beaux Arts d’Angoulême, und arbeitete dann im Trickfilmbereich.
    Garulfo ist seine erste und bisher einzige Comicserie.
    [Quelle: Delcourt]




    Da über beide Künstler noch wenig Informationsmaterial vorhanden ist,
    möchte ich an dieser Stelle ein schönes französisches Interview mit Beiden verlinken: Interview





    Band 1:
    Vom Teich ins Schloß


    Garulfo ist eine Kröte (was übrigens nicht dasselbe ist wie ein weiblicher Frosch). Er wohnt in einem wundeschönen Teich am Waldrand, mitten im Königreich Brandelune. Er führt ein beschauliches Leben, hat genug zu Essen, und mit dem Erpel Fulbert einen guten Freund für tiefschürfende Gespräche.
    Eigentlich könnte er mit seinem Leben mehr als zufrieden sein. Ist er aber nicht.
    Denn Garulfo bewundert die Menschen, „diese prunkvollen Zweifüßer“, die in ihrer gewaltigen Macht sogar den schrecklichen Hecht im Froschteich besiegen können; am liebsten wäre er selbst ein Mensch.
    Eines Tages hüpft Garulfo nun über eine Lichtung, auf der Prinzessin Hèphylie mit ihrer Gouvernante, der altjüngferlichen Noëmie, rastet. Noëmie liest der Prinzessin gerade die Geschichte vom Froschkönig vor, und auch wenn Hèphylie wenig Interesse zeigt, zumindest Garulfo ist fasziniert von der Vorstellung, sich mit Zauberei in einen Menschen zu verwandeln. Nachdem erste Versuche, die Prinzessin zu küssen (bekanntlich das probateste Mittel um Frösche in Menschen zu verwandeln) fehlgeschlagen sind, beschließt er deshalb, sich professionelle Hilfe zu suchen.
    Tief im Sumpf stößt er schließlich auf die Hütte der Hexe Mavéliande, mit der er einen Handel eingeht: Die Hexe verzaubert ihn, so dass ihn ein Kuss tatsächlich in einen Menschen verwandeln kann. Dafür verpflichtet sich Garulfo, sobald dieser Fall eingetreten ist und er die noch zu findende Prinzessin geheiratet hat, Mavéliande jeden Wunsch zu erfüllen (zwar hält die Hexe die Idee für ziemlich idiotisch, aber sie findet sie auch ganz amüsant und willigt deshalb ein).
    Nachdem der Zauber gewirkt ist, lässt sie Garulfo von einem ihrer Raubvogeldiener zum königlichen Schloß fliegen, auf dass er dort möglichst schnell seine Prinzessin auftreiben könne. Zwar erliegt der Adler unterwegs einem unglücklichen Unfall und zwingt Garulfo, den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen, doch schließlich erreicht er doch sein Ziel.
    Dummerweise ist Prinzessine Hèphylie immer noch nicht bereit, ihre wohlgeformten Lippen durch den Kontakt mit Amphibien zu beschmutzen, doch immerhin gerät Garulfo stattdessen an die unscheinbare Magd Pipa, die sich tatsächlich überzeugen lässt, ihn zu küssen. Und tatsächlich: Der Kuss verwandelt ihn in einen Menschen!
    Dummerweise führt dieses unglaubliche Ereignis zu einem folgenschweren Missverständnis: Garulfo, jetzt ein blonder Jüngling im grünen Wams, hält Pipa für eine Prinzessin, und da seine Verwandlung direkt vor dem königlichen Schloss stattgefunden hat, beschließt er, sofort hineinzugehen und um die Hand der vermeintlichen Königstochter anzuhalten.
    Da er in seiner menschlichen Form offensichtlich recht blaublütig aussieht, und zudem auch noch einen typisch herrschaftlichen Mangel an Selbstzweifeln an den Tag legt, wird er für einen Prinzen gehalten und gelangt er tatsächlich bis in den Thronsaal, wo er dem verdutzten König vor dem gesamten Hofstaat verkündet, dass er dessen Tochter, Prinzessin Pipa, zu ehelichen gedenke. Den König stürzt diese Ankündigung in einige Verlegenheit, da er sich (aus verständlichen Gründen) nicht erinnern kann, Pipas Vater zu sein. Da sein erster Reflex, den Störenfried enthaupten zu lassen, nicht ohne diplomatische Verwicklungen möglich scheint (denn man hält Garulfo ja für auswärtigen Hochadel), entschließt er sich stattdessen, Pipa vorerst aus Gründen der Staatsräson als seine lang verschollene, von den Sarazenen geraubte Tochter anzuerkennen, um so einen Skandal zu vermeiden.
    Damit ist Garulfo erstmal aus dem Schneider, und er wird mit allen gebührenden Ehren aufgenommen während die Hochzeit vorbereitet wird. Zuerst gefällt ihm das höfische Leben recht gut: Ein weiches Bett, Festbankette, bloß die Annäherungsversuche von Prinzessin Hèphylie (die ihn nun, wo er keine Amphibie mehr ist, auf einmal attraktiv findet. Ach ja, die Frauen…) sind ihm etwas lästig, können aber mit einem wohlgezielten Tritt in die rückwärtigen Regionen der Prinzessin abgewehrt werden.
    Bald muss er jedoch erkennen, dass die Menschen weit weniger bewundernswert sind, als er bisher geglaubt hatte: Zuerst wird er auf einem Jagdausflug mit dem finsteren Graf de Guezeberques damit konfrontiert, wie unglaublich grausam der Mensch anderen Geschöpfen gegenüber sein kann. Dann stellt er fest, dass der Fischer, den er als Kröte bewundert hat, alles andere als majestätisch ist. Und schließlich wird er auch noch Zeuge, wie de Guezeberques Männer beim Steuereintreiben ein Bauerndorf und dessen Bewohner aufs Brutalste drangsalieren. Garulfo ist entsetzt. Entrüstet droht er de Guezeberques, sich beim König zu beschweren und zieht von dannen.
    Der Graf beschließt daraufhin, den unbequemen „Prinzen“ aus dem Weg räumen zu lassen – und damit ist er nicht mal der erste, denn auch Prinzessin Hèphylies Zofe Noëmie hat bereits Söldner angeheuert, um ihn zu töten, weil er Annäherungsversuche ihres Mündels drastisch zurückgewiesen hatte. Garulfos unmittelbare Zukunft scheint alles andere als rosig…





    Band 2:
    Vom Regen in die Traufe


    Auf dem Weg zum Königshof begegnet Garulfo Pipa, die aus dem Schloss geflohen ist. Sie erklärt Garulfo, dass sie keine Prinzessin mehr sein will, und ihn nicht heiraten möchte. Garulfo überzeugt sie jedoch, ins Schloss zurückzukehren, da er immer noch glaubt, dass die Vermählung mit der „Prinzessin“ alle Probleme lösen wird. Er selbst bleibt noch ein bisschen auf der Lichtung und flirtet mit einer hübschen jungen Kröte. Dabei wird er von Noëmies Söldnern überrascht, die sich sofort auf ihn stürzen. Seine hastige Flucht endet auf einem Felsvorsprung weit über dem Fluss, und als auch noch de Guezeberques Männer auftauchen, die ihm ebenfalls ans Leder wollen, bleibt ihm nur noch der verzweifelte Sprung in die Fluten. Er überlebt den Fall und treibt Flussabwärts in Richtung Schloss (nicht ohne ein paar am Ufer stehenden Fischern als gutes Omen für einen anstehenden Bauernaufstand zu erscheinen). Die Flusspartie endet abrupt mit einem erneuten Sturz, diesmal über einen Wasserfall. Glücklicherweise wird er von den Vögeln der Hexe Mavéliande gerettet, die ihn bitten, nun seinerseits der Hexe zu helfen, die in die Fänge der Staatsmacht gefallen ist und nun auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden soll. Garulfo kommt dieser Bitte nach, und schafftt es gerade noch rechtzeitig, Mavéliande befreien und aus der Stadt zu eskortieren.
    Im Schloss hat sich die Lage inzwischen deutlich verschlechtert: Ein Überprüfung der entsprechenden Quellen hat ergeben, dass es im ausländischen Hochadel keinen Prinzen Garulfo gibt, und der König hat inzwischen auch ernsthafte Zweifel an Pipas Herkunft – glaubte er bisher insgeheim, dass sie immerhin das Ergebnis eines jugendlichen Seitensprungs mit einer Dienstmagd hätte sein können, so stellt er sie nun zur Rede und findet im Verlauf der folgenden Nachforschungen heraus, dass sie keinesfalls seine Tochter ist.
    Garulfo weiß von alldem nichts, doch auch ihm steht ein schrecklicher Schock bevor, als sein Freund, der Erpel Fulbert, beim nächsten Festbankett als Hauptgericht serviert wird. Der Anblick erfüllt ihn mit tiefstem Entsetzen erfüllt und treibt ihn fluchtartig aus dem Speisesaal. Zutiefst verzweifelt und desillusioniert zieht er sich auf eine einsame Terrasse zurück und vertraut dort der echten und der falschen Prinzessin seine wahre Geschichte an. Dann geht er schlafen.
    Während er noch grübelnd auf seinem Bett liegt, wird er nicht nur von einem, sondern gleich von zwei Meuchelmördern heimgesucht: Noëmie, die Garulfo für den Schmerz, den er Prinzessin Hèphylie zugefügt hat, büssen lassen will, und de Guezeberques, der ihn immer noch als Bedrohung sieht und deshalb zu töten gedenkt. Kurz bevor sie Garulfo erstechen können, platzt dann auch noch der erzürnte König samt Pipa und Hofstaat herein, der sich endgültig überzeugt hat, dass die Magd nicht seine Tochter ist und sie nun zusammen mit dem Hochstapler Garulfo hinrichten lassen möchte.
    Nach einer wahnwitzigen Flucht gelingt es Garulfo und Pipa, aus dem Schloss zu entkommen, doch die Häscher des Königs, allen voran de Guezeberques, sind ihnen dicht auf den Fersen. Zwar erhalten die Flüchtlinge Hilfe von einem Bauern, der, ermutigt durch Garulfos Bruch des Protokolls, nun ebenfalls Willens ist, der Staatsmacht die Stirn zu bieten, doch schließlich stellt der finstere Graf de Guezeberques Garulfo und Pipa auf einer einsamen Lichtung. Es kommt zum Duell, das Garulfo überraschenderweise gewinnt. Er lässt de Guezeberques leben, doch dem Grafen wird seine eigene Bösartigkeit zum Verhängnis…
    Garulfo und Pipa ziehen weiter in die Wildnis, und übernachten im Schatten eines gewaltigen Felsens, der sich am nächsten morgen als nicht minder gewaltiger Drache herausstellt. Glücklicherweise ist er aber bereits bezwungen und gezähmt, und zwar vom berühmten Drachentöter Anjalbert de Gonfalon, einem jungen Recken, der mit seinem Drachen auf dem Weg nach Brandelune ist, um um Prinzessin Hèphylies Hand anzuhalten. Nachdem er jedoch Pipa sieht (oder nicht sieht, denn er ist kurzsichtig), verliebt er sich auf der Stelle in sie und beschließt, sie zu seiner Prinzessin zu machen. Glücklich reiten die beiden von dannen, und lenken dabei auch noch die königlichen Verfolger ab, denen Anjalbert mitteilt, dass er nicht um Hèphylies Hand anhalten wird, sich entschuldigt, und ihnen praktisch als kleines Entschuldigungsgeschenk den Drachen überreicht.
    Garulfo ist inzwischen auf dem Weg zum Haus der Hexe, die er bitten will, die Verwandlung rückgängig zu machen. Unterwegs rettet er die hübsche, junge weibliche Kröte, die er bereits im Wald getroffen hat vor einer Schlange. Zum Dank küsst sie ihn, und die Magie der wahren Liebe verwandelt Garulfo unversehens in seine alte Gestalt zurück. Turtelnd ziehen die beiden frisch verliebten Amphibien davon, um in Garulfos altem Teich glücklich und zufrieden bis an ihr Ende (bzw. Bd. 3…) als Kröten zu leben (während die brandelunesche Monarchie im Hintergrund gerade im Chaos aus Bauernaufstand und Drachangriff versinkt). Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.



    Fin





    [Künstler-Bio + Inhaltsangabe: Matbs]




    Link zu unseren Termine + Regelwerk

  2. #2
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    Zitat von Matbs (sozusagen ):
    Ein weiches Bett, Festbankette, bloß die Annäherungsversuche von Prinzessin Hèphylie (die ihn nun, wo er keine Amphibie mehr ist, auf einmal attraktiv findet. Ach ja, die Frauen…) sind ihm etwas lästig, können aber mit einem wohlgezielten Tritt in die rückwärtigen Regionen der Prinzessin abgewehrt werden.
    Beim schmächtigen Thor!
    Das war die Racheaktion für den Grimmschen Froschkönig!
    Der wurde bekanntermaßen von der launischen und wortbrüchigen Prinzessin an die Wand geschleudert und erhielt dafür zur Belohnung noch 'nen Prinz.
    Das musste gerächt werden!

  3. #3
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Warum gerade Garulfo?
    Na ja, zum einen natürlich, weil ich die Abenteuer der Kröte (und später des dazugehörigen Prinzen) für eine überaus gelungene Serie halte, die leider so was wie ein relativ unbekanntes Kleinod zu sein scheint, das m.M.n. aber auf jeden Fall eine größere Bekanntheit verdient hat - Wer Ayroles andere Serie Mit Mantel und Degen mag, der ist auch mit Garulfo bestens bedient (und wer weder Mit Mantel und Degen noch Garulfo gelesen hat, sollte das schnellstens ändern)!
    Das allein hätte aber wahrscheinlich noch nicht ausgereicht, schließlich gibt´s eine ganze Menge großartiger Titel, die etwas mehr Bekanntheit verdient hätten (Deshalb: Lest Koblenz. Und Ring Circus. Und Toto das Schnabeltier. Und Dieter Lumpen. Und Schwarze Oliven. Und Courtney Crumrin. Und Über dem Land des Horus. Und Hugo. Und und und...).
    Aber da gibt´s ja auch noch diese Sache:
    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Noch eine kleine Anmerkung am Rande:
    Die Serie ist mit Band 5 beendet – leider wurde bisher dieser Band noch nicht in Deutschland veröffentlicht!
    Und da muss was passieren! Deswegen wollte ich mit diesem Wunschtitel die Serie vielleicht mal wieder etwas mehr ins Bewußtsein bringen, in der Hoffnung, dass sich hier vielleicht doch noch was tut:
    GARULFO. GEHÖRT. FORTGESETZT.
    V
    ielleicht trägt ja unser Stammtisch ein bisschen dazu bei, dass man bei Kult Editionen doch noch mal über die Serie nachdenkt, oder sich Splitter (neu) diesem großartigen Erbe von Splitter (alt) annimmt (zumal man da mit Tanja Krämling jemanden mit Garulfo-Erfahrung im Team hat).
    Verdient hätte die Serie es auf jeden Fall (und ich will endlich wissen, wie der großartige Cliffhanger [im wahrsten Sinne des Wortes] am Ende von Bd. 4 aufgelöst wird)!



    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Das war die Racheaktion für den Grimmschen Froschkönig!
    Der wurde bekanntermaßen von der launischen und wortbrüchigen Prinzessin an die Wand geschleudert und erhielt dafür zur Belohnung noch 'nen Prinz.
    Das musste gerächt werden!
    Eigentlich ist es ja viel konkreter die Rache für den Tritt, den die Prinzessin bei seinem ersten Annäherungsversuch in Krötenform gegeben hat.

    Wo wir gerade schon bei den Tritten sind: Die finde ich grafisch jeweils relativ schlecht umgesetzt, das sieht arg cartoonhaft aus, hier merkt man vielleicht so ein bisschen, dass Maiorana (ich verzichte aus Gründen der Bequemlichkeit jetzt mal auf as "i" mit zwei Punkten drüber ...) noch nicht so viel praktische BD-Erfahrung hat, denn immerhin ist das ja ein Erstlingswerk. Andererseits gefällt mir sein Zeichenstil ansonsten sehr gut, er ist in seiner unglaublich linienreichen Detailverliebtheit eine echte Augenweide. Zwar gibt es in den hier besprochenen zwei ersten Bänden noch einige kleinere Probleme, ein paar Charaktere (allen voran Garulfo in Menschenform) wirken manchmal etwas verzerrt und kantig, Perspektiven sind nicht immer ganz richtig, und ein paar Bewegungsabläufe (wie die bereits erwähnten Tritte) sind nicht ganz perfekt umgesetzt, aber das wird meines Erachtens z.B. durch die grandiosen Szenerien (Brandelune ist wirklich hübsch) und die großartigen Charakterdesigns (Noemie, der kauzige Hofgelehrte, der "schmierige" Kaplan usw.) mehr als wett gemacht, zudem verschwinden die zeichnerischen Schwächen im Verlauf der Serie zusehends (ein Grund mehr, Garulfo fortsusetzen!).
    Insgesamt finde ich Garulfo grafisch ziemlich einzigartig, beim Betrachten der Zeichnungen kommt mir auf Anhieb kein anderer Zeichner in den Sinn, dessen Arbeiten ähnlich aussehen, was ich sehr interessant finde. Dadurch ist die Serie visuell vielleicht erst mal ein klein wenig gewöhnungsbedürftig, aber wenn man sich drauf eingestellt hat, passt der Zeichenstil perfekt und ist - wie bereits erwähnt - eine echte Augendweide.
    Geändert von Matbs (26.11.2006 um 10:56 Uhr)

  4. #4
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    Zitat von mir:
    Der wurde bekanntermaßen von der launischen und wortbrüchigen Prinzessin an die Wand geschleudert und erhielt dafür zur Belohnung noch 'nen Prinz.
    Rah! Ich tue es immer wieder, obwohl ich doch weiß, dass dabei nur Mist 'rauskommt.
    Musik hören und gleichzeitig schreiben ...
    Natürlich hat nicht der Frosch den Prinzen bekommen, aber Matbs hat mich ja verstanden ...

    Album 1: 19,80 DM und
    Album 2: 22,80 DM, vor 11 bzw. 10 Jahren 'ne Menge Kröten.
    Aber da ich kein Frosch sein wollte, habe ich mir die Teile trotzdem gekauft und allen Unkenrufen zum Trotz waren sie dann auch lesenswert.
    Holt sie Euch! Viellaicht gibt's die noch bei Ebay.

    So, Schluss mit den pubertären Wortspielchen und fangen wir mal an mit den Zeichnungen:

    Jepp, Matbs: Mit den menschlichen Figuren habe ich auch so meine Schwierigkeiten (oder vielmehr Maiorana), aber bei den Tieren stimmt fast alles (bis auf das ein oder andere weniger gelungene Pferd).
    Bewegungsabläufe sind auch nicht immer überzeugend ...

    Die alte Hexe Maleveliande gehört trotzdem zu den graphisch gelungeneren Figuren und wenn sie ihre verzauberten Suppen durchrührt evoziert das in mir ... Sulphurmief und Binsenkraut ! ... Bilder von Meister Gurgelhals, natürlich aus rein atmosphärischen Gründen.
    Stilistisch scheint mir Maiorana eher mit einem anderen Märchencomic-Zeichner verwandt: Mazan (Das tapfere Schneiderlein, Von einem, der auszog, ...).

    Grafische Höhepunkte der ersten beiden Bände sind die Großbilder auf den Seiten
    22 und 28 (Bild 1) in Album 1 und
    17 (Bild 6), 22 (Bild 1) und 46 in Album 2.

    Erwähnenswert auch:
    Die Kolorierung von Leprévost ist in Band 2 wesentlich farbenfroher ausgefallen als im Vorgänger.
    Das bekommt einer Serie sehr gut, wenn sie wie Garulfo einen sehr lebensbejahenden Unterton hat.

  5. #5
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Album 1: 19,80 DM und
    Album 2: 22,80 DM, vor 11 bzw. 10 Jahren 'ne Menge Kröten.
    .
    Hier setze ich mal mit meiner Betrachtung der Serie an.
    Unter dem Motto erst mal alles Negative aus dem weg räumen - damit man sich den schönen Dinge genüsslich nähern kann, ohne sich von Indifferenzen gestört zu fühlen!

    Also was sich der alte Spliter Verlag im Jahre 1996 vor allem mit dem 2. Band erlaubt hat ist in mehrfacher Hinsicht eine Frechheit - und m.E. auch wirklich Nepp am Kunden.

    Ich muss dazu bemerken, daß ich erst aufgrund unseres Stammtisches die bisher vorliegenden 4 Alben der Serie erworben habe und diese logischerweise für ein Bruchteil des ursprünglichen Preises beziehen konnte.

    Lustigerweise habe ich Band 1 der Kult Editionen - und alle weiteren Bände vom alten Splitter Verlag.

    Der Kult Band kostete zwar auch in meinen Augen happige 11,95 Euro - aber wir reden hier immerhin vom Jahre 2004 - wobei die Splitter-Alben besonders ab Band 2 - schon 8 Jahre zuvor mit 22,80 DM gerade mal 30 Cent billiger waren.

    Wass mich allerdings noch viel mehr erzürnt ist das abgrundtief hässliche Lettering des 2. Bandes von Oliver Hasselluhn.
    Den ersten Band habe ich nicht zum Vergleich - im 3. Album folgt ein leicht verbessertes Lettering das ich ihm aber immer noch zurechnen würde und im 4. Band endlich eine Ablösung durch Thomas Hoyer.
    Im 3. Band steht kein spezieller Name für den Letterer - vielleicht schämte man sich schon seitens des Verlages für die schlechte Arbeit in Band 2!

    Nimmt man nun als Vergleich den Band 1 von Kult Editionen aus dem Jahre 2004 - werden die Augen regelrecht verwöhnt angesichts des relativ schönen und gleichmässigen Schriftsatzes - leider steht bei Kult ja nie dabei wer lettert oder übersetzt. Vielleicht war es schon Computer-Lettering - keine Ahnung!

    Jetzt hatte ich ja das seltene Vergnügen den vom Druck neueren Band 1 vor dem schon alten Splitterband 2 zu lesen.
    Ich bin ja fast erschrocken - als ich das 2. Album aufschlug und mich gerade am Anfang durch dieses Gekrakel kämpfen musste.

    Oft ist dem alten Splitter Verlag eine mangelhafte Umsetzung in Bezug auf Übersetzung usw. vorgeworfen worden, was mir allerdings bei den Alben nie richtig negativ auffiel - das ich allerdings von den diversen Heftserien her kannte, die teilweise wohl von Aushilfs-Studenten übersetzt wurden.

    Aber die Umsetzung des 2. Bandes zumindest vom Preis-/Leistungsverhältnis und dem Lettering erachte ich auch als sehr stümperhaft. Die Übersetzung sollen andere richten - da kann ich mangels Originalvorlage nicht mitreden und ausser vielleicht in 1-2 kleinen Passagen störte mich der deutsche Text nicht.

    Papier, Druck und Farben waren aber damals schon wirklich hochwertig - da kann man überhaupt nicht meckern.

    Ich bin allerdings sehr froh - das wir in heutiger Zeit Verleger haben, die sich wirklich sehr für eine adäquate Aufmachung stark machen und man diese schlimmen Ausrutscher nicht mehr miterleben muss.

    Ausserdem überrascht es mich doch immer wieder, daß wir heute fast einen niedrigeren SC-Albumpreis haben wie vor 10 Jahren.
    Obwohl Splitter ja berühmt berüchtigt für seine hochpreisigen Produkte war.

    Ich glaube mich erinnern zu können das horst mal davon gesprochen hat, daß die Digitalisierung der Druckfilme oder das digitale Verfahren überhaupt, dafür verantwortlich sind das die Preise seit damals nicht teurer geworden sind - teilweise gar günstiger.

    Wollen wir hoffen das dies noch ein bisschen anhält!
    Geändert von hipgnosis (26.11.2006 um 15:04 Uhr)

  6. #6
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Rah! Ich tue es immer wieder, obwohl ich doch weiß, dass dabei nur Mist 'rauskommt.
    Musik hören und gleichzeitig schreiben ...
    Natürlich hat nicht der Frosch den Prinzen bekommen, aber Matbs hat mich ja verstanden ...
    Und wieder einmal zahlt es sich aus, dass ich in meiner Freizeit ein ziemlich schludriger Leser bin und mir deshalb sinnzerstörende kleine Details nur selten den Blick aufs Ganze versperren (sprich: Ich hab´s nicht mal gemerkt .)

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Stilistisch scheint mir Maiorana eher mit einem anderen Märchencomic-Zeichner verwandt: Mazan (Das tapfere Schneiderlein, Von einem, der auszog, ...).
    Stimmt, der vergleich passt vielleicht noch am ehesten, wobei selbst Mazan (den ich im Übrigen auch sehr gerne mag) noch ziemlich weit von Maiorana weg ist.

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Grafische Höhepunkte der ersten beiden Bände sind die Großbilder auf den Seiten
    22 und 28 (Bild 1) in Album 1 und
    17 (Bild 6), 22 (Bild 1) und 46 in Album 2.
    Auf jeden Fall: Allein das unglaublich wuselige Chaos auf S. 46 von Bd. 2, mit Bauernaufstand, entflohenen Tieren, einem sich selbst in die Stratosphäre katapultierenden Hofgelehrten und natürlich dem Drachen ist einfach göttlich, da kann ich mich gar nicht satt sehen!

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Erwähnenswert auch:
    Die Kolorierung von Leprévost ist in Band 2 wesentlich farbenfroher ausgefallen als im Vorgänger.
    Das bekommt einer Serie sehr gut, wenn sie wie Garulfo einen sehr lebensbejahenden Unterton hat.
    Kann ich schlecht beurteilen, weil mein Bd. 1 ebenfalls aus der Kult-Auflage stammt, die möglicherweise vom Druck her anders ist.
    Aber bunt ist auf jedenfall gut!

    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Wass mich allerdings noch viel mehr erzürnt ist das abgrundtief hässliche Lettering des 2. Bandes von Oliver Hasselluhn.
    Den ersten Band habe ich nicht zum Vergleich - im 3. Album folgt ein leicht verbessertes Lettering das ich ihm aber immer noch zurechnen würde und im 4. Band endlich eine Ablösung durch Thomas Hoyer.
    Im 3. Band steht kein spezieller Name für den Letterer - vielleicht schämte man sich schon seitens des Verlages für die schlechte Arbeit in Band 2!
    Immerhin gibt es noch schlechte geletterte Splitter(alt)-Alben, ein paar sind ja praktisch völlig unleserlich, da hat man´s hier ja fast noch gut getroffen...


    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Papier, Druck und Farben waren aber damals schon wirklich hochwertig - da kann man überhaupt nicht meckern.
    Stimmt. Ich liebe diese hochglänzenden Splitter-Seiten, die eignen sich zwar nicht für alle Comics, aber für Garulfo sind sie richtig.

  7. #7
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    Schreiten wir zum Inhalt:

    Von Beginn des ersten Albums an schlägt Ayroles einen lockeren Ton an, vermittelt eine positive Grundstimmung, die dann auch über beide Bände durchgehalten wird (mit einer Ausnahme, aber dazu weiter unten mehr).

    Dass das erste menschliche Wesen erst auf Seite 9 auftaucht, aber auch die bis zu diesem Moment gezeigten tierischen Interaktionen, haben mich - der gewaltigen zeichnerischen Unterschiede zum Trotz - an "den" Funny Animal der frankobelgischen Comicszene Chlorophylle/Anatol erinnert, zumal sich die anthropomorphen Tiere auch in dieser Serie (zumindest in der Anfangsphase) in natürlicher Umgebung bewegt haben, Menschen allenfalls für Nebenrollen gut waren.
    Was nicht heißt, dass die Tiere sich auch nur in einer der beiden Serien "artgerecht" verhalten würden.
    Eher unwahrscheinlich, dass Frösche "in freier Wildbahn" allzu oft auf Hechten voltigieren bzw. sich an diese anhängend Wasserski fahren.
    Aber was wissen wir schon ?
    Bernhard Grzimek, wo bist Du, wenn man Dich am dringendsten braucht ?

    Aber so ganz ohne literarisches Vorbild kommt auch Ayroles' Frau Hexe nicht aus.
    Ihre auf Seite 14, Bild 2 (Album 1) erstmals präsentierte Behausung unterscheidet sich nicht wesentlich vom luftigen Hochsitz, den die russische Märchenhexe Baba-Yaga einnimmt.

    Überhaupt empfinde ich es als ein bisschen problematisch, an wie viel Dinge man beim Lesen der Story erinnert wird:

    einerseits natürlich
    - der Frosch, der sich in einen Menschen verwandelt aus dem Froschkönig

    und aus vielen anderen Märchen:
    - der edle Held, viel zu gut für diese Welt
    - die charakterlich nicht ganz einfache Prinzessin
    - der harte, etwas einfältige König
    - dessen unsympathischer Vertrauensmann
    - die gedungenen Mörder.

    Klar, Garulfo soll wohl (einen "Tick" erwachsener) das für Märchen sein, was Lucky Luke für den Western ist und eine Parodie muss sich der Klischees bedienen dürfen, um sie auf die Schippe zu nehmen.
    Aber Ayroles ist kein Goscinny und bei aller Leichtigkeit, die er seiner Story gibt (die beiden Alben lesen sich tatsächlich richtig anenehm locker-flockig), reiht sich nicht gerade Gag an Gag.
    Daher leidet die Geschichte ein bisschen unter ihrer Vorhersehbarkeit.
    Goscinny vermied dies durch die witzig-unerwarteten Wendungen in seinen Plots.

    Nicht vorhersehbar, aber dafür die Leichtigkeit der Geschichte störend, ist das unerwartete Ende von Fulbert.
    Hat mich ein klein bisschen geschockt (aber ich bin ja auch Vegetarier) und etwas die Gute-Laune-Atmo gestört (zumal der arme Fulbert mit einem schlechten Gewissen sterben musste).
    O.K., "Realismus" könnte man sagen.
    Aber muss ein Märchen "realistisch" sein?
    Geändert von felix da cat (27.11.2006 um 20:36 Uhr)

  8. #8
    Moderator Finix Comic Club Avatar von joox
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    Spoiler

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Überhaupt empfinde ich es als ein bisschen problematisch, an wie viel Dinge man beim Lesen der Story erinnert wird:

    Klar, Garulfo soll wohl (einen "Tick" erwachsener) das für Märchen sein, was Lucky Luke für den Western ist und eine Parodie muss sich der Klischees bedienen dürfen, um sie auf die Schippe zu nehmen.
    Aber Ayroles ist kein Goscinny und bei aller Leichtigkeit, die er seiner Story gibt (die beiden Alben lesen sich tatsächlich richtig anenehm locker-flockig), reiht sich nicht gerade Gag an Gag.
    Daher leidet die Geschichte ein bisschen unter ihrer Vorhersehbarkeit.
    Goscinny vermied dies durch die witzig-unerwarteten Wendungen in seinen Plots.

    Nicht vorhersehbar, aber dafür die Leichtigkeit der Geschichte störend, ist das unerwartete Ende von Fulbert.
    Hat mich ein klein bisschen geschockt (aber ich bin ja auch Vegetarier) und etwas die Gute-Laune-Atmo gestört (zumal der arme Fulbert mit einem schlechten Gewissen sterben musste).
    O.K., "Realismus" könnte man sagen.
    Aber muss ein Märchen "realistisch" sein?
    Sorry, wenn ich mich hier so unangemeldet einmische...
    aber Felix da cat´s Einwände haben mich dazu angeregt, meinen Senf zu Garulfo zum Besten zu geben..

    Also, generell kommt man wohl um die Wahrheit deiner Ausage, dass Ayroles noch kein Goscinny ist, nicht drum rum. Aber ich muss das Story-Konzept von Ayroles denn doch etwas in Schutz nehmen.
    Zunächst fand ich die Struktur nicht sooo schrecklich vorhersehbar und vom Ansatz eben doch etwas ernsthafter als so mancher Lucky Luke Band, wenn das vielleicht hin und wieder auf Kosten des Gag-Feuerwerks geht.
    Will heißen: ich war von der recht bissigen Art Humor doch sehr angetan!
    Man erinnere sich nur an des Königs Reaktion, als er mit seiner bisher unbekannten "Tochter" konfrontiert wird...fand ich echt klasse!!
    Insgesamt fand ich die Atmo gar nicht so Gute-Laune-haft, da auch Garulfo nicht gerade wie ein Vorzeigeheld daherkommt und seine Art so manches Mal eher plump, nervig und vorlaut ist, was ich aber als beabsichtigt und für einen wichtigen Faktor des Konzepts halte, da er ja so´ne Art Grünschnabel ist, der seine idealisierte Weltsicht durch Erfahrungen mit der harten Realität noch etwas abschleifen muss. Daher muss ich auch deinen Einwand, dass es sich um ein Märchen handelt, doch nicht unbedeutend relativieren, immerhin ist es gerade Gerulfo, der erfahren muss, dass er sich EBEN NICHT in einem Märchen befindet!!(Auch dass er dies über Fulbert erfahren muss, den er vorher mit seinen Lobeshymnen über den Menschen zugetextet hatte, find ich ebenso folgerichtig wie wirkungsvoll!)
    Garulfo kommt mir daher eher wie eine sehr klug konzipierte Fabel á la Dragonheart oder ähnliches daher, nicht so sehr wie ein Märchen. Nicht umsonst ist der Höhepunkt daher die Rückverwandlung des desillusionierten Prinzen in einen Frosch. So gesehen, scheint mir, dass es sich bei Garulfo auch um etwas mehr handelt, als um eine blosse Parodie des Froschkönigs, es ist eher eine sehr feinsinnige uns ziemlich "moderne" Neuauflage mit umgekehrten Vorzeichen.

  9. #9
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Ach verdammt, jetzt bin ich bei gerade während meines eigenen Wunschtitels etwas im Stress und komm nicht so richtig rum, deswegen auch heute nur wieder kürzer:

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Eher unwahrscheinlich, dass Frösche "in freier Wildbahn" allzu oft auf Hechten voltigieren bzw. sich an diese anhängend Wasserski fahren.
    Aber was wissen wir schon ?
    Bernhard Grzimek, wo bist Du, wenn man Dich am dringendsten braucht ?
    Na ja, Garulfo ist ja eh ein Kröte, da ist vielleicht alles anders ...




    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Klar, Garulfo soll wohl (einen "Tick" erwachsener) das für Märchen sein, was Lucky Luke für den Western ist und eine Parodie muss sich der Klischees bedienen dürfen, um sie auf die Schippe zu nehmen.
    Aber Ayroles ist kein Goscinny und bei aller Leichtigkeit, die er seiner Story gibt (die beiden Alben lesen sich tatsächlich richtig anenehm locker-flockig), reiht sich nicht gerade Gag an Gag.
    Hmm, so ganz passt mir der Vergleich nicht: Ich würde Garulfo nicht als Parodie bezeichnen, und glaube auch nicht, dass es eines von Ayroles primären Zielen ist, dieses Genre auf die Schippe zu nehmen (wenn es das wäre, wäre die Genrewahl auf jeden Fall weniger glücklich als beim Western, der visuell und inhaltlich viel stärker in der uns geläufigen modernen Populärkultur verankert - und entsprechend persiflierbar - ist) .
    Natürlich bedient er sich vieler Versatzstücke klassischer Märchen, aber für mein Empfinden tut er das weniger, um sich über die Originale lustig zu machen, sondern eher um ein neues Märchen zu schaffen (bzw. eine neue Geschichte die sich vieler klassischer Märchentypen, -motive und -codes bedient), das allerdings moderner (= lustiger) erzählt wird. So ganz krieg´ ich den Unterschied im Moment noch nicht hin (zu spät, zu wenig Zeit), aber auf den Märchenbezug wollte ich eh noch mal eingehen, dann wird´s sicher. Auf jeden Fall glaube ich, dass wir hier eine ernsthafte, ernstgemeinte klassische Märchenmoral haben, was bei einer reinen Parodie so vielleicht nicht der Fall wäre (die Moral wäre übrigens sowas wie "sei du selbst und zufrieden damit", oder auch "be careful what you wish for, it might come true").
    Übrigens möchte ich auch schon mal auf einen meiner Posts aus dem Tim und Struppi-Stammtisch verweisen, nämlich den zum Thema "picaresque fiction", denn genau das ist Garulfo ganz eindeutig, womit die Geschichte nicht nur in der Tradition des Märchens steht, sondern auch in der eines Simplizissimus oder Huck Finn. Auch hier vielleicht noch mal später Details.

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Nicht vorhersehbar, aber dafür die Leichtigkeit der Geschichte störend, ist das unerwartete Ende von Fulbert.
    Hat mich ein klein bisschen geschockt (aber ich bin ja auch Vegetarier) und etwas die Gute-Laune-Atmo gestört (zumal der arme Fulbert mit einem schlechten Gewissen sterben musste).
    O.K., "Realismus" könnte man sagen.
    Aber muss ein Märchen "realistisch" sein?
    Genau der Part hat mir eigentlich sehr gut gefallen. Ok, das ist der falsche Ausdruck, natürlich war das total fies und schrecklich, und auch mir hat Fulbert, der das wirklich nicht verdient hat, total leid getan.
    Aber es hat auch was von "old-school"-Märchen-Härte, und das gefällt mir. Irgendwie sind Märchen heutzutage ja sehr stark im Reich der Kinderunterhaltung verortet, und deswegen erwarten wir auch eine gewisse modern-kindgerechte Alles-wird-gut-Geschichte, wenn wir mit einem Märchen konfrontiert werden.
    Aber klassische Märchen sind bei genauerer Betrachtung alles andere als nett und kindgerecht: Da werden Kinder im Wald ausgesetzt, Frösche an Wände geworfen, Schweinchen heimatlos gemacht und verspeist, reihenweise ältere Brüder und hochnäsige Prinzen getötet, und ja, sogar Enten aufgefressen (vgl. Prokofjew, Sergej: Peter und der Wolf, für Comicliebhaber gibt´s eine wunderschöne Version von Prado).
    Viele Märchen sind überraschend fies, brutal und gemein, sie haben allzuoft eine düstere Seite, die den Zuhörern/Lesern mitteilt, dass die Welt kein freundlicher Ort ist, und genau das ist ja auch die Lektion, die Garulfo lernt.
    Von daher mag das auf den ersten Blick als "zu realistisch" erscheinen, aber zumindest ich empfinde es als Rückbesinnung auf eine klassische Märchenatmosphäre, und das mag ich.

    Oh, und vielleich noch mal ganz kurz zum Goscinny-Vergleich: Da hast du natürlich recht, Ayroles ist kein Goscinny (aber ausser Goscinny ist ja eigentlich niemand Goscinny, oder ), aber ich finde, dass er mit seinem Humor relativ nah an dem des Meisters dran ist, denn auch bei ihm basiert viel Lustiges auf der Darstellung menschlicher Schwächen und Kleinlichkeiten (wenn auch in der Tat etwas erwachsener, uneheliche Kinder von Gehenkten sowie Frauen namens Bertha Weitschoss gibt´s bei Asterix ja in der Tat nicht).
    Übrigens auch einer der Gründe, warum ich gehofft hatte, vielleicht auch Kaschi hier begrüssen zu dürfen, irgendwie hab´ ich den Eindruch, dass ihm die Serie auch gefallen könnte.

    Edit: Um noch mal kurz auf den Post einzugehen, den joox gepostet hat, während ich das hier runtergetippt habe:
    a) Du musst dich nicht dafür entschuldigen, sich unangemeldet einmischen ist hier erwünscht, also nur weiter so, zumal du
    b) völlig recht hast (und mir der Begriff "Fabel" im übrigen sehr gut gefällt).

    Vielleicht kommt der Eindruck von felix, dass es auf einmal etwas zu drastisch wird auch daher, dass er beim Lesen stark an LL und "freundliche Parodien" gedacht hat und das sein Empfinden der Serie als "positiv" beeinflusst hat, während joox und ich sie insgesamt als weniger optimistisch/fröhlich wahrgenommen haben (denn eigentlich passieren hier schlimme Dinge zuhauf, und die dargestellt Welt ist alles andere als freundlich), und deshalb weniger irritiert von Fulberts schrecklichem Ende (oder auch dem Tod des armen Wolfes, das war ja auch nicht schön) oder der Brutalität des Systems und seiner Herrscher waren.
    Geändert von Matbs (28.11.2006 um 08:17 Uhr)

  10. #10
    Moderator Finix Comic Club Avatar von joox
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    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Schreiten wir zum Inhalt:
    Aber so ganz ohne literarisches Vorbild kommt auch Ayroles' Frau Hexe nicht aus.
    Ihre auf Seite 14, Bild 2 (Album 1) erstmals präsentierte Behausung unterscheidet sich nicht wesentlich vom luftigen Hochsitz, den die russische Märchenhexe Baba-Yaga einnimmt.
    Nochmal zum Abschluss:
    Find´ich super, dass du die grafische Inspiration Maioranas für die Hexenküche ausfindig gemacht hast. Wusste ich bis jetzt noch gar nicht!

    Nichtsdestotrotz find ich die Hütte, wie er sie umgesetzt hat mit diesen
    Kreuselbäumen hammermäßig spitze!!! (Allein diese Frontansicht auf dem ersten Panel, auf dem sie auftaucht!!!)

    Aber wie ja schon mehrfach in diesem Threat erwähnt wurde, sucht Maioranas Stil was die Hintergründe (euer gespaltenes Verhältnis zu den Figuren teile ich ebenfalls) betrifft, noch seinesgleichen nicht nur im frankobelgischen Comicbereich...
    Wobei Leprévost - wie ebenfalls schpon erwähnt wurde - diesem Stil über seine Farben in geradezu kongenialer Art und Weise noch das i-Tüpfelchen aufsetzt.

    Na ja, wie ihr vielleicht schon gemerkt habt bin ich ein Garulfo-Ober-Fan und bin Matbs deshalb sehr verbunden, dass er diese Besprechung hier angeleiert hat (falls ich das aus dem bisher gesagten nicht falsch interpretiert habe..)

    @Matbs: Danke für´s MutmachenHab´s auch gleich umgesetzt!
    Witzig..während der eine gepostet hat, war der andere gerade am schreiben, so dass meine Textung jetzt auch nicht so richtig zu deinem Beitrag oben passt, aber da wir beide, wie´s scheint sowieso recht ähnlicher Ansicht sind, muss ich mich jetzt nicht unbedingt nochmal wiederholen. Man kann ja meine Beiträge sozusagen einfach in umgekehrter Reihenfolge lesen und dann passts wieder..
    Geändert von joox (27.11.2006 um 22:32 Uhr)

  11. #11
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Irgendwie habt ihr denke ich alle Recht mit euren Aussagen über Märchen und Fabel.

    Die Anleihen eines Märchen sind sicherlich sehr prägnant, schon das ganze Setting erinnert an diese - felix hat ja schon die Aspekte erwähnt.
    Und auch die Eröffnungssequenz mit den einleitenden Textpassagen weisst doch stark auf die Abstammung zur Gattung der Märchen hin.

    Und natürlich sticht einem geradewegs der Gedanke Fabel in den Kopf, da vor allem der Opener, mit Fulbert und Garulfo im Teich - als sprechende, denkende Tiere die im Mittelpunkt der Handlung stehen, deutlich herausgearbeitet wird.
    Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist auch des Autors Intention einer unterschwelligen Belehrung und einer gewissen Moral von der Geschicht´.

    Allerdings gestehe ich Alain Ayroles hier einen ziemlich feinfühligen Umgang zu - er packt nicht die grosse Moralkeule aus - um dem Leser bewusst zu belehren, sondern erzählt seine Geschichte eher einfühlsam, sodaß der Betrachter sich vielmehr unterschwellig der Problematiken bewusst wird.

    Was will uns der Autor denn nun eigentlich erzählen?

    Erstmal denke ich hat er sich ganz mit Bedacht einen Frosch als Hauptprotagonisten gewählt - nicht unbedingt die typische Tierfabelfigur.
    Vorteile sehe ich darin, daß man zwar schön das Märchen-Genre einarbeiten kann, was sicherlich beabsichtigt war und gleichermassen doch keine ausgelutschte Figur benutzt, der jeder von uns schon zu Beginn durch unzählige Literatur-Erfahrungen und Quervergleiche einen festen Charakterstempel aufgedrückt hätte.

    Was sind denn aber nun wesentliche Merkmale eines Frosches/Kröte?

    Ich kann es nicht beschreiben - aber zumindest stehen sie für mich ziemlich an unterster Stelle der Nahrungskette - daher würde ich sie am ehesten noch als leicht verletzbar, schwach bezeichnen. Eventuell könnte noch schlüpfrig passen - was ja Garulfo auch einige Male in der Geschichte unter Beweis stellt!

    Zumindest aus der schwächlichen Position der Gattung heraus, erträumt sich unser kleiner Held nun an für ihn oberster Stelle der Hackordnung zu stehen - die des Menschen.

    Anders als z.b. beim Froschkönig der ja soweit mir bekannt eigentlich ein verzauberter Prinz in Froschgestalt war - haben wir es ja hier mit einen echten Vertreter der Gattung zu tun, der aus freien Stücken den Wunsch äussert Mensch zu werden - als Ziel seiner Ideale.

    Bleiben wir mal hier schon beim Vergleich mit den Menschen, könnte es die Intention des Autors sein, ein Streben nach Vollkommenheit und sogar Macht zu beschreiben.

    Natürlich kann es nicht das wahre, hehre Ziel des Lebens sein, nach solchen Dingen zu streben - und auch Garulfo wird doch ziemlich hart eines Besseren belehrt, indem sich immer mehr die Abgründe des menschlichen Wesens auftun.
    In seiner absoluten Ehrlichkeit die fast schon an Naivität grenzt, bemerkt er anfangs gar nicht mit welch´ schlimmen Charakterzügen er es mit den Menschen zu tun bekommt.
    Hier wären Neid, Hass, Machtgier, Arglist, Verrat, Mordlust usw. vor allem zu nennen.
    Erst indem er durch die brutalen Situationen mit der tödlichen Jagd auf den Wolf oder den Tod seines Freundes Fulbert - mit einem absoluten Schockerlebnis eine Art Trauma erleidet, erkennt er das wahre Wesen der Menschen und wie unsinnig und absurd sein erklärtes Traumbild doch in Wirklichkeit ist.
    Erst in der Schlusszene beginnt er sein Leben so richtig zu begreifen - erfährt seine grosse Liebe und erkennt das nicht das Streben nach verlockenden Idealen, sondern das Ausleben seiner eigenen Existenz in Wirklichkeit Glück und Zufriedenheit bedeuten.
    Geändert von hipgnosis (28.11.2006 um 14:39 Uhr)

  12. #12
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    Zitat von joox:
    Sorry, wenn ich mich hier so unangemeldet einmische...
    aber Felix da cat´s Einwände haben mich dazu angeregt, meinen Senf zu Garulfo zum Besten zu geben..
    Nur zu und herzlich willkommen (o.k., hätte man auch schon bei Ythaq schreiben können, aber jetzt scheinst Du ja richtig einsteigen zu wollen)!

    Leider muss ich Dir gleich widersprechen (aber das stählt )
    Zitat von joox:
    Insgesamt fand ich die Atmo gar nicht so Gute-Laune-haft, da auch Garulfo nicht gerade wie ein Vorzeigeheld daherkommt und seine Art so manches Mal eher plump, nervig und vorlaut ist, was ich aber als beabsichtigt und für einen wichtigen Faktor des Konzepts halte, da er ja so´ne Art Grünschnabel ist, der seine idealisierte Weltsicht durch Erfahrungen mit der harten Realität noch etwas abschleifen muss.
    Klar, wie eine Geschichte auf ihren Betrachter/Leser wirkt, hängt nicht nur von den Fähigkeiten des Autors/Zeichners ab, sondern auch vom Betrachter/Leser selbst (z.B. Erwartungshaltung), manchmal sogar von dessen "Tagesform" (wie ist er aufgelegt, wenn er das Teil liest?).

    Im Folgenden die Gründe, warum die Story mir eine positiv-lebensfrohe Atmosphäre vermittelt:
    Die Geschichte wird bereits mit einem launigen Ton eröffnet:

    Garulfo beschwert sich laut denkend darüber, dass man ihn eine Kröte und nicht einen Frosch nennt (Album 1, Seite 4, Bild 1ff).

    Auf Bild 10, gleiche Seite, sitzt er in stiller Andacht und meint, einen eher tapsig wirkenden Menschen betrachtend: "Ich verehre diese prunkvollen Zweifüssler!"
    (Wer hat eigentlich zwei Füssle ?
    Und wenn es Zweifüssler gibt, wer sind dann die Linkshändler ?)

    Auf Seite 5 die Abwehr des sprachlich gehandicapten, liebestollen und warzenbesetzten Unkerichs.

    Die sportliche Einlage auf dem Rücken des Hechts auf den Seiten 6 und 7: All dies kommt doch ziemlich drollig daher.

    Und so geht's weiter.
    Sicher, nicht in der gleichen Dichte wie zu Beginn, doch sind die nachdenklichen Töne für mein Empfinden eher Mangelware, auf jeden Fall überwiegt das humoristische.
    Die nachdenklichen Momente sind es dann aber auch, die mich ebenso wie die gelegentlichen Schlüpfrigkeiten zu der Überzeugung gelangen ließen, Ayroles wolle mit Garulfo einen "Tick" erwachsener sein als Goscinny mit Lucky Luke.

    Dass Garulfo sich - einmal in einen Menschen verwandelt - äußerst ungeschickt, ja kindlich naiv benimmt, ist dem launigen Aspekt nicht abträglich. Im Gegenteil: Würde er sich souverän durch die Welt der Menschen bewegen, wäre alles nur noch halb so lustig.
    Seine "einfache" Art unterstützt daher die komische Ausrichtung der beiden Alben.

    Schließlich wird die Botschaft, die zum Nachdenken anregen könnte (schlechte Behandlung der Untertanen) in gewisser Weise durch das Doppel-Happy-End untergraben.
    Nicht nur Garulfo findet seine Liebste (die er zuvor nach klassischer Manier vor verfrühtem Ableben bewahrte) und strahlt wie ein ... ähem ... Breitmaulfrosch, auch seine zeitweise Begleiterin Pipa wird in die glückliche Zweisamkeit entlassen.
    Kein traurig' Herz muss uns nun rühren ...
    Da vergisst man leicht die ja ohnehin nicht so stark in den Mittelpunkt gerückten Untertanen Ihrer Majestät ...

    Zitat von joox:
    Daher muss ich auch deinen Einwand, dass es sich um ein Märchen handelt, doch nicht unbedeutend relativieren, immerhin ist es gerade Gerulfo, der erfahren muss, dass er sich EBEN NICHT in einem Märchen befindet!!(Auch dass er dies über Fulbert erfahren muss, den er vorher mit seinen Lobeshymnen über den Menschen zugetextet hatte, find ich ebenso folgerichtig wie wirkungsvoll!)
    Märchen?
    Nein, ich halte Garulfo ja eher für den Versuch einer Märchen-Parodie.
    Das ist schon ein Unterschied.
    Aber: Dass die Story auch von Desillusionierung und (begrenztem Einsatz von) Grausamkeiten lebt, stünde auch nicht im Widerspruch dazu, sie als Märchengeschichte zu betrachten.
    Wie schon von Matbs erwähnt: Märchen sind voll von Grausamkeiten: Grimm (ich darf daran erinnern, was mit dem Pferd Falada in "Die Gänsemagd" geschieht), Andersen, 1001 Nacht ...
    Zitat von joox:
    Garulfo kommt mir daher eher wie eine sehr klug konzipierte Fabel á la Dragonheart oder ähnliches daher, nicht so sehr wie ein Märchen.
    Naja, es gibt auch Märchen, die etwas "tiefer" gehen, Novalis und E.T.A. Hoffmann seien hier erwähnt. Tiefgang und Märchen muss sich also nicht ausschließen.

    Für eine Fabel fehlt's mir hier entschieden an Tieren.
    Fabeln funktionieren eigentlich eher so, dass menschliche Schwächen auf Tiere übertragen und "durchgespielt" werden. Menschen kommen in ihnen so gut wie nie vor, wenn, allenfalls in Nebenrollen.
    In Garulfo benehmen sich die Tiere zwar auch menschlich, aber im positiven Sinne.
    Die menschlichen Verhaltensweisen, die kritisiert werden, werden auch vom Menschen gelebt, sie erscheinen nicht in tierischem Gewand.

    Aber genau diese Verfremdung würde die Fabel ausmachen.

    Sehr interessant in diesem Zusammenhang: gerade den "negativ" agierenden Tieren wie den Jagdhunden oder der Schlange gesteht Ayroles keinen eigenen, vermenschlichten Charakter zu.
    Sie tun genau das, was man von ihnen als Tier erwartet.
    Zitat von Matbs:
    Na ja, Garulfo ist ja eh ein Kröte, da ist vielleicht alles anders ...
    Da alle Kröten Froschlurche sind, sehe ich das nicht so eng.
    Zitat von Matbs:
    Hmm, so ganz passt mir der Vergleich nicht: Ich würde Garulfo nicht als Parodie bezeichnen, und glaube auch nicht, dass es eines von Ayroles primären Zielen ist, dieses Genre auf die Schippe zu nehmen (wenn es das wäre, wäre die Genrewahl auf jeden Fall weniger glücklich als beim Western, der visuell und inhaltlich viel stärker in der uns geläufigen modernen Populärkultur verankert - und entsprechend persiflierbar - ist) .
    Wie hipgnosis schon in Bezug auf die Wahl des Titelhelden überlegt hat: Warum etwas machen, was andere schon getan haben?
    Als Westernparodie würde Ayroles' Garulfo in jedem Fall an Lucky Luke gemessen, ob er dies will oder nicht.
    Wäre ich Autor, würde ich versuchen dort zu grasen, wo die Weiden noch grün sind. Allzu viele Märchen-Parodien gibt's ja noch nicht (die bekannteste, Iznogoud, bedient die doch etwas andere Welt von 1001 Nacht).

    Western ist sicher stark im kollektiven Bewußtsein verankert, Märchen meiner Ansicht aber noch stärker.
    Wer kennt nicht Hänsel und Gretel, Schneewittchen, den gestiefelten Kater oder eben den Froschkönig?
    Wer kennt nicht deren Versatzstücke, die es zu parodieren lohnt?

    Ganz nebenbei: Der weibliche Teil der Menschheit (den es größtenteils noch für den Comic einzunehmen gilt) wird mit diesen Versatzstücken sicher wesentlich vertrauter sein als mit denen des Western.
    Zitat von Matbs:
    Natürlich bedient er sich vieler Versatzstücke klassischer Märchen, aber für mein Empfinden tut er das weniger, um sich über die Originale lustig zu machen, sondern eher um ein neues Märchen zu schaffen (bzw. eine neue Geschichte die sich vieler klassischer Märchentypen, -motive und -codes bedient), das allerdings moderner (= lustiger) erzählt wird.
    Hm ... tatsächlich schwierig, Garulfo in eine Schublade einzuordnen:

    Auf jeden Fall beinhaltet die Serie parodistische, weil verzerrende Momente:

    die Umkehrung des Märchenmotivs: der Frosch ist kein verzauberter Mensch, sondern ein ... Frosch (sozusagen eine Erzählung aus der Froschperspektive ),

    Pipa, die von Garulfo und Prinz Anjalbert für eine echte Prinzessin gehalten wird, worüber sie selbst wohl am erstauntesten ist,

    Garulfo, der die schöne Prinzessin in den Hintern tritt,

    der König, der durch das vermeintlich uneheliche Kind auf amüsante Weise in die Bredouille gerät

    bis hin zu Garulfo, der der Menschheit den Rücken kehrt und am Ende sein Froschsein zelebriert.

    All das ist "untypisch Märchen", absichtlich verzerrt.

    Wenn ich dann noch die bildlichen Informationen dazu nehme:

    die Anfangssequenz: der Ritt auf dem Hecht,

    die vielen Stürze, die eher mit einem "Pardauz" als mit einem "Bumm" enden,

    die "blöden" Gesichter, die nach kleinen Unfällen, Mißverständnissen usw. gezogen werden
    vertiefen meinen Eindruck, dass hier eine Parodie intendiert war.

    Nichtsdestotrotz kann ich natürlich auch nachvollziehen, wenn Du (und joox) das anders siehst (sehen).
    Zitat von Matbs:
    Übrigens auch einer der Gründe, warum ich gehofft hatte, vielleicht auch Kaschi hier begrüssen zu dürfen, irgendwie hab´ ich den Eindruch, dass ihm die Serie auch gefallen könnte.
    Da hab' ich daneben gelegen.
    Ich mach' mir immer 'n paar Gedanken, wer beim jeweils nächsten Titel wohl mitmachen wird und Kaschi hatte ich unter den Diskutanten vermutet.
    Naja, wenn er jetzt von einem weiteren Teilnehmer liest, dass dies ein Comic wie geschaffen für ihn ist, kauft er sich den Garulfo vielleicht (keine Frage, dass er mitgemacht hätte, wenn er den Fro ... äh. die Kröte schon für sich entdeckt hätte).
    Zitat von Matbs:
    Vielleicht kommt der Eindruck von felix, dass es auf einmal etwas zu drastisch wird auch daher, dass er beim Lesen stark an LL und "freundliche Parodien" gedacht hat und das sein Empfinden der Serie als "positiv" beeinflusst hat, während joox und ich sie insgesamt als weniger optimistisch/fröhlich wahrgenommen haben (denn eigentlich passieren hier schlimme Dinge zuhauf, und die dargestellt Welt ist alles andere als freundlich), und deshalb weniger irritiert von Fulberts schrecklichem Ende (oder auch dem Tod des armen Wolfes, das war ja auch nicht schön) oder der Brutalität des Systems und seiner Herrscher waren.
    Da ist natürlich was dran.
    Dass der Wolf dran glauben musste, ist allerdings schon deswegen leichter zu verkraften, da er zuvor unserem Helden ans nicht vorhandene Leder wollte.
    Poetische Gerechtigkeit, sozusagen.
    Fulbert hingegen ist die Gutmütigkeit in Person (sofern man eine Ente als eine solche bezeichnen kann) und der einzige "Sympathieträger", dem es am Ende schlecht ergeht.
    Geändert von felix da cat (28.11.2006 um 20:19 Uhr)

  13. #13
    Moderator Finix Comic Club Avatar von joox
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    Hallo erstmal und vielen Dank für den allseitigen freundlichen Empfang,
    fühl´mich schon richtig integriert.

    So,..und nun ans Eingemachte...
    (es kommt mir so vor als wollte felix mich allein schon
    quantitativ mit diesem Wahnsinns-Post geradezu verbal
    erschlagen oder zumindest mal einschüchtern, aber
    unerschöpfliche Schreibfreude inspiriert mich, so dass
    ich mich auf die kontroverse Besprechung freue!

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Im Folgenden die Gründe, warum die Story mir eine positiv-lebensfrohe Atmosphäre vermittelt:
    Die Geschichte wird bereits mit einem launigen Ton eröffnet:
    Garulfo [...] Und so geht's weiter.
    Sicher, nicht in der gleichen Dichte wie zu Beginn, doch sind die nachdenklichen Töne für mein Empfinden eher Mangelware, auf jeden Fall überwiegt das humoristische.
    In diesem Punkt hast du mich weiterhin nicht überzeugen können:
    1. Denn allein das Adjektiv "lebensfroh" mit dem du den Humor der Serie beschreibst, passt selbst auf viele der Bsp., die du hier selbst einführst nicht: Wie du treffend feststellst, BESCHWERT sich Garulfo über seinen Zustand, d.h. er ist beim besten Willen nicht lebensfroh, sondern ist zutiefst unzufrieden mit seiner Lebenslage zu Beginn der Geschichte. Ebenso verhält es sich mit seiner späteren Existenz als Mensch, die ja geprägt wird von einer stetig voranschreitenden Desillusionierung, was sein "Traumgeschöpf" Mensch angeht. (Also, wer hier keine ernsten, nachdenklichen Töne entdeckt, im Bezug auf die Illusionen, die wir
    Menschen uns im Bezug auf uns selbst oft machen, dem kann auch Garulfo nicht mehr helfen: Mit "Neuauflage mit umgekehrten Vorzeichen" in meinem vorangegangenen Post wollte ich ja gerade darauf hinweisen, dass Ayroles die fluchartige Verwandlung des Prinzen in einen Frosch im Märchen "Der Froschkönig" gerade umkehrt und nun die Verwandlung in einen Menschen zum wirklichen "Fluch" uminterpretiert) So dass folgerichtig die "Lebensfreude" erst einkehrt, als Garulfo durch den Unkenkuss seine Frosch-Existenz wiedererlangt.
    2. Dein Adjektiv "positiv" passt weder auf Garulfos Stimmung noch auf seinen Charakter. Seien wir doch ehrlich, er ist in seinem Gespräch mit dem lieben Fulbert doch ein verdammter selbstgerechter "Kotzbrocken"!! ein blinder, unsensibler Fanatiker geradezu, der von seiner Mensch-Sein-Obsession derart geblendet ist, dass er seine treusten Freunde vor den Kopf stößt und in egozetrischem Selbstmitleid versinkt.
    (Dass es sich hierbei um spezifisch menschliche Charaktermerkmale handelt,
    die auf bestimmte Tiere projeziert werden, um dann dem Leser um so
    pointierter vor die Nase gehalten werden zu können, hatten mich auf das Konzept der Fabel gebracht: Siehe eines der vielen m.M.n. sehr gelungenen
    Bsp. hierfür den Seufzer Garulfos auf S.9 ("Warum wurde ich als Kröte
    geboren...Aah! Glücklicher Mensch in dem Boot! Was weisst du schon von
    dieser Qual!") Dadurch dass Garulfo sozusagen menschlicher als der Mensch selber agiert und seine idealisierte Vorstellung des Menschen extrem wenig mit dem wahren Menschen zu tun hat, wird es hier also schwierig mit äußerlichen Mustern zu argumentieren, denn was von Ayroles ja letztlich angeklagt wird, ist ja doch dass sich der Mensch bestial(bzw.tier)ischer verhält als das Tier.
    D.h. also: komplette Welt auf den Kopf gestellt=struktureller Charakter einer Fabel
    Das bringt mich zum nächsten Punkt deinerseits, den ich so nicht stehen lassen kann:
    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Für eine Fabel fehlt's mir hier entschieden an Tieren.
    Fabeln funktionieren eigentlich eher so, dass menschliche Schwächen auf Tiere übertragen und "durchgespielt" werden. Menschen kommen in ihnen so gut wie nie vor, wenn, allenfalls in Nebenrollen.
    In Garulfo benehmen sich die Tiere zwar auch menschlich, aber im positiven Sinne.
    Die menschlichen Verhaltensweisen, die kritisiert werden, werden auch vom Menschen gelebt, sie erscheinen nicht in tierischem Gewand.
    Aber genau diese Verfremdung würde die Fabel ausmachen.
    Sehr interessant in diesem Zusammenhang: gerade den "negativ" agierenden Tieren wie den Jagdhunden oder der Schlange gesteht Ayroles keinen eigenen, vermenschlichten Charakter zu.
    Sie tun genau das, was man von ihnen als Tier erwartet.
    Alles sehr richtig was du hier feststellst, kann ich alles unterschreiben, allerdings vergisst du dabei, dass in Garulfo, wie ich oben versucht habe zu zeigen, die Tiere die "Menschen" sind und die Menschen die "Tiere"!!!
    Lies deinen Teil noch einmal durch mit diesem Gedanken im Hinterkopf und dann sollte es dir auch ganz folgerichtig erscheinen, dass "gerade den "negativ" agierenden Tieren wie den Jagdhunden oder der Schlange Ayroles keinen eigenen, vermenschlichten Charakter zugesteht."

    Sicherlich hast du Recht wenn du Garulfo insgesamt eher einen humoristischen Unterton bescheinigst. Aber es ist eben doch m.M.n. eher nicht der leichtfüssige Humor einer Parodie, sondern vielmehr der teilweise "bitter" aufstossende einer bissigen Satire.

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Schließlich wird die Botschaft, die zum Nachdenken anregen könnte (schlechte Behandlung der Untertanen) in gewisser Weise durch das Doppel-Happy-End untergraben.
    Nicht nur Garulfo findet seine Liebste (die er zuvor nach klassischer Manier vor verfrühtem Ableben bewahrte) und strahlt wie ein ... ähem ... Breitmaulfrosch, auch seine zeitweise Begleiterin Pipa wird in die glückliche Zweisamkeit entlassen.
    Kein traurig' Herz muss uns nun rühren ...
    Genau, hier sind wir wieder im eindeutig genretypischen Schema eines Märchens angelangt, am Ende erst ist eben deine "lebensfrohe"-"positive" Stimmung da, was natürlich bei der Fabel fehlt, aber hier würde ich dir und hipgnosis auch durchaus zugestehen, dass wir es bei Garulfo mit einer Mischform aus beiden Genres zu tun haben.

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Aber: Dass die Story auch von Desillusionierung und (begrenztem Einsatz von) Grausamkeiten lebt, stünde auch nicht im Widerspruch dazu, sie als Märchengeschichte zu betrachten.
    Wie schon von Matbs erwähnt: Märchen sind voll von Grausamkeiten: Grimm (ich darf daran erinnern, was mit dem Pferd Falada in "Die Gänsemagd" geschieht), Andersen, 1001 Nacht ...
    Naja, es gibt auch Märchen, die etwas "tiefer" gehen, Novalis und E.T.A. Hoffmann seien hier erwähnt. Tiefgang und Märchen muss sich also nicht ausschließen.
    Da bin ich vollkommen deiner Meinung, ich bezog mich allerdings in meinem vorangegangenen Posting auf den Versuch einer Definition des Humors, der die Serie Garulfo charakterisiert, den du - m.M.n. fälschlicher Weise - als "lebensfroh-positiv" bezeichnet hast, was ich dir erst ab dem typischen Märchen-Happy-End zugestehen kann. Da das Märchen vor dem Happy End generell gar keinen Humor (bzw. Fröhlichkeit) aufweist, hatte ich gar nicht vor, speziell auf die Charakteristika des Märchengenres genauer einzugehen...
    Daher auch meine generelle Tendenz zur Fabel und der Verweis auf den Film Dragonheart, der m.M.n. von einem ähnlichen Humor getragen wird, der tief im Inneren mit Schmerz verbunden ist und den vielleicht Cervantes am treffendsten mit dem "Ritter der traurigen Gestalt" getroffen hat...kurz: es geht um den Einsturz jener Illusion von wahren Helden und aufrechten Rittern, jenem Ideal, wie der Mensch optimaler Weise sein sollte, wenn er nicht so wäre, wie er in Wirklichkeit ist!

    Wenn du mir bei deiner nächsten Antwort zugestehen würdest, dass etwas vom Ende dieses Traumes auch in Garulfo verarbeitet wird,...
    (und in gewisser Weise hast du das schon in diesem Posting damit getan, dass du dich besonders daran störst, dass gerade mit Fulbert jemand auf so unwürdige Weise ins Gras beissen musste, der das einzige (vielleicht noch zusammen mit dem hübsche Unkenmädchen) wahrhaft "märchenhaft-unschuldige" Wesen in der ganzen Garulfo-Welt darstellt.)
    ...dann können wir einfach nicht mehr von einer reinen Märchen-Parodie sprechen, die sich darin genügt eingebrannte Märchen-Typologien durch den Kakao zu ziehen, Garulfo wäre demnach ohne Zweifel mehr...
    Geändert von joox (28.11.2006 um 23:06 Uhr)

  14. #14
    Mitglied Avatar von PhoneyBone
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    Leider keine Zeit zur Diskussion, aber dafür 2 Links zu einem Interview von Ayroles auf BD Selection mit vielen Infos zu Garulfo und Mantel und Degen:
    http://www.bdselection.com/php/index...id_dossier=64#
    http://www.bdselection.com/php/index...&id_dossier=67

    Gruss, PhoneyBone
    Infos aus Belgien: www.stripspeciaalzaak.be

  15. #15
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Und wieder bestätigt sich - je kleiner die Diskussionsrunden - desto exzessiver die Rede-Duelle!

    Ich muss aufgrund der langen Monologe schon zwischendrin meine Antworten formulieren - sonst vergesse ich am Ende was ich eigentlich sagen wollte - ja ja man wird alt das Gedächtnis lässt nach!

    Zum Thema Humor in Garulfo:

    Ich würde das jetzt nicht so absolutistisch sehen wollen - wie es aus euren Reden herausklingt.
    Sicherlich gäbe es reichlich witzige Szenen aufzuzählen - aber die Geschichte hat auch einen ernsten Híntergrund, bzw. eine kritische Aussage - ich glaube nicht das der Autor hier ein reines Gag-Feuerwerk abbrennen wollte.
    Allerdings würzte er seine Geschichte mit einer gewissen Leichtigkeit, die im Wesen Garulfos sehr stark ausgeprägt ist, um zu vermeiden das der intelligente Leser sich durch Moralisierungen abgeschreckt fühlt.

    Das Adjektiv lebensfroh würde ich schon als eines der gültigen auf Garulfos Wesenszüge gelten lassen.
    Es stimmt zwar das er einem höheren Ideal entgegenstrebt - und am Ende völlig desillusioniert erkennt, daß dieses Ziel nicht seinem Lebensglück entspricht.
    Doch in vielen Szenen - gerade wo er sich in einen Menschen verwandelt, spürt man doch wie positiv er eigentlich dem Leben zugewandt ist. Das widerspricht sich ja auch nicht unbedingt. Man kann ja auch als Mensch seine schlechten Erfahrungen machen und hin und wieder auch seinen Illusionen verfallen, bzw. sie zerstört bekommen und dennoch eine grundsätzlich positive bejahende Lebenseinstellung besitzen. Lebensfroh bedeutet ja nicht, das man immer zu jeder Zeit (gleich einem Frosch durchs Leben hüpft ) und vor allen schlechten Dingen die Augen verschliesst.

    Übrigens wo ich dies hier gerade schreibe - vielleicht auch ein kleiner Teilaspekt warum sich Ayroles für eine Geschichte über einen Frosch entschied!

    Den Aspekt zur Fabel hat joox sehr schön erklärt - dem ist nichts weiter hinzuzufügen. Allerdings wird man hier einer strengen Definition des Begriffes sicher nicht standhalten können, da wie schon von felix angesprochen wurde, einfach viel zu viele Menschen auftreten.

    Vielleicht handelt es sich bei Garulfo am ehesten um eine Allegorie!
    Auch wäre der Begriff der Parabel denkbar - einer Gleichniserzählung die hier weniger dem ursprünglichen religiösen Ansatz entspricht, aber Begebenheiten einer menschlichen Welt (Nächstenliebe, Toleranz usw.) erzählt, deren Bedeutung am Ende der Leser durch Analogieschluß ermitteln muß.
    Alle Begriffe sind mit der Fabel verwandt und zeichnen sich durch eine Art Personifikation aus.
    Geändert von hipgnosis (29.11.2006 um 11:27 Uhr)

  16. #16
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Western ist sicher stark im kollektiven Bewußtsein verankert, Märchen meiner Ansicht aber noch stärker.
    Wer kennt nicht Hänsel und Gretel, Schneewittchen, den gestiefelten Kater oder eben den Froschkönig?
    Wer kennt nicht deren Versatzstücke, die es zu parodieren lohnt?
    Das stimmt natürlich, aber ich glaube nichtsdestotrotz, dass es den Märchen an einer gewissen Ikonizität mangelt, und sie entsprechend weniger gut parodierbar sind - es gibt einfach weniger allgemein bekannte inhaltliche und visuelle Klischees, mit denen man arbeiten könnte, m.M.n. eben genau deshalb, weil dieses Genre in unserer zeitgenössischen (Erwachsenen)Populärkultur relativ selten zutage tritt.
    Deswegen würde ich den potentiellen Parodiewert von Cowboyhüten, Ennio Morricone-Musik, Westernstädten und Sätzen wie "Diese Stadt ist zu klein für uns beide Fremder!" für deutlich größer halten, denn bei sowas denken wir wohl alle automatisch an Western. Bei Bauernlumpen, Mittelaltermusik und Burgen aber wahrscheinlich nicht automatisch an Märchen; da hat es einfach in den letzten Jahrzehnten keine Übersättigung mit einer entsprechenden Symbolik gegeben, die in uns das Bedürfnis weckt, uns drüber lustig zu machen. Entsprechend wenige Märchenparodien gibt es dann auch, und die erfolgreichen beschränken sich - ähnlich wie Garulfo - nicht nurs aufs parodieren, sondern bieten auch eine eigenständige Handlung (Hier sei auf die beiden Shrek-Filme verwiesen, die mir persönlich ausnehmend gut gefallen haben. Als negatives Gegenbeispiel würden mir übrigens die jämmerlichen Versuche von Pro7 vor ein paar Monaten einfallen, eine Märchenparodie auf die Beine zu stellen, das war ja sooo eine abgefxxxte Schxxxe...).


    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Nichtsdestotrotz kann ich natürlich auch nachvollziehen, wenn Du (und joox) das anders siehst (sehen).
    Ok, dann einigen wir uns doch darauf !

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Da ist natürlich was dran.
    Dass der Wolf dran glauben musste, ist allerdings schon deswegen leichter zu verkraften, da er zuvor unserem Helden ans nicht vorhandene Leder wollte.
    Poetische Gerechtigkeit, sozusagen.
    Fulbert hingegen ist die Gutmütigkeit in Person (sofern man eine Ente als eine solche bezeichnen kann) und der einzige "Sympathieträger", dem es am Ende schlecht ergeht.
    Stimmt, das ist wohl auch einer der Punkte, wo Garulfo ganz deutlich vom klassischen Märchen abweicht, wo ja meist jeder das kriegt, was er verdient.
    Aber immerhin kommen wir ja mit dem Ableben des Grafen de Guezeberques wieder auf diese Formel zurück, inklusive der poetischen Gerechtigkeit, denn der bösartige Hofjäger fängt sich ja im wahrsten Sinne des Wortes in seiner eigenen Falle.

    Zitat Zitat von joox Beitrag anzeigen
    dass Ayroles die fluchartige Verwandlung des Prinzen in einen Frosch im Märchen "Der Froschkönig" gerade umkehrt und nun die Verwandlung in einen Menschen zum wirklichen "Fluch" uminterpretiert
    Was ja interessanterweise perfekt dazu passt, dass hier der Unterschied zwischen "böser Hexe" und "guter Fee" ebenfalls fließend ist, eine weitere Variation der Grundaussage, dass alles ambivalent ist und die letztendliche Wertung im Auge des Betrachters liegt.


    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Ich würde das jetzt nicht so absolutistisch sehen wollen - wie es aus euren Reden herausklingt.
    Sicherlich gäbe es reichlich witzige Szenen aufzuzählen - aber die Geschichte hat auch einen ernsten Híntergrund, bzw. eine kritische Aussage - ich glaube nicht das der Autor hier ein reines Gag-Feuerwerk abbrennen wollte.
    Allerdings würzte er seine Geschichte mit einer gewissen Leichtigkeit, die im Wesen Garulfos sehr stark ausgeprägt ist, um zu vermeiden das der intelligente Leser sich durch Moralisierungen abgeschreckt fühlt.
    Stimmt. Ayroles ist für mein Empfinden nicht primär auf die Lacher aus (bestimmt nicht in demselben Maß wie Morris und Goscinny in Lucky Luke), aber andererseits handelt es sich hier natürlich auch nicht um ein bierernstes Drama. Letzten Endes würde ich den Humor als wichtigen, aber nicht beherrschenden Teil des Serienkonzepts einordnen (und das geht -zumindest für meine Person- auch ziemlich gut auf).


    Und was die Frage angeht, ob wir es hier jetzt mit einem Märchen, einer Fabel, einer Parodie oder einer Allegorie zu tun haben: Ich denke, da können und müssen wir gar keine endgültige Antwort finden, denn wie viele gute Erzählungen passt das Gesamtkunstwerk Garulfo nun mal nicht perfekt in eine einzelne Schublade.


    Zitat Zitat von joox Beitrag anzeigen
    Na ja, wie ihr vielleicht schon gemerkt habt bin ich ein Garulfo-Ober-Fan und bin Matbs deshalb sehr verbunden, dass er diese Besprechung hier angeleiert hat (falls ich das aus dem bisher gesagten nicht falsch interpretiert habe..)
    Hey, dann sind wir ja schon zwei. Dann fehlen uns ja nur noch ca. 3000 Gleichgesinnte, und die Fortsetzung von Garulfo ist sicher...
    Geändert von Matbs (29.11.2006 um 18:54 Uhr)

  17. #17
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    Zitat von joox:
    (es kommt mir so vor als wollte felix mich allein schon
    quantitativ mit diesem Wahnsinns-Post geradezu verbal
    erschlagen oder zumindest mal einschüchtern, aber
    unerschöpfliche Schreibfreude inspiriert mich, so dass
    ich mich auf die kontroverse Besprechung freue!
    Das ist eben unser ganz spezieller Härtetest.
    Motto: If you can't stand the heat, get out of the kitchen."

    Nee, mal im Ernst: So lange wir hier "nur" über Comics und nicht über das Schicksal der Welt diskutieren, sind Meinungsverschiedenheiten doch hoffentlich locker weg zu stecken.

    Dank an PhoneyBone für die interessante Verlinkung.
    Die hilft uns in ein paar Punkten durchaus weiter.

    Zitat von joox:
    In diesem Punkt hast du mich weiterhin nicht überzeugen können:
    1. Denn allein das Adjektiv "lebensfroh" mit dem du den Humor der Serie beschreibst, passt selbst auf viele der Bsp., die du hier selbst einführst nicht: Wie du treffend feststellst, BESCHWERT sich Garulfo über seinen Zustand, d.h. er ist beim besten Willen nicht lebensfroh, sondern ist zutiefst unzufrieden mit seiner Lebenslage zu Beginn der Geschichte. Ebenso verhält es sich mit seiner späteren Existenz als Mensch, die ja geprägt wird von einer stetig voranschreitenden Desillusionierung, was sein "Traumgeschöpf" Mensch angeht. (Also, wer hier keine ernsten, nachdenklichen Töne entdeckt, im Bezug auf die Illusionen, die wir
    Menschen uns im Bezug auf uns selbst oft machen, dem kann auch Garulfo nicht mehr helfen: Mit "Neuauflage mit umgekehrten Vorzeichen" in meinem vorangegangenen Post wollte ich ja gerade darauf hinweisen, dass Ayroles die fluchartige Verwandlung des Prinzen in einen Frosch im Märchen "Der Froschkönig" gerade umkehrt und nun die Verwandlung in einen Menschen zum wirklichen "Fluch" uminterpretiert) So dass folgerichtig die "Lebensfreude" erst einkehrt, als Garulfo durch den Unkenkuss seine Frosch-Existenz wiedererlangt.
    O.K., zweiter Überzeugungsversuch, diesmal mit Hilfe der klassischen Literatur und ... Ayroles:
    Deine Beispiele betreffen durchgehend die persönliche Situation Garulfos. Dass er mit vielen Fährnissen zu kämpfen hat usw.
    Das ist zunächst einmal richtig, ich habe mich bei der lebensfrohen, lebensbejahenden, optimistisch-positiven Atmosphäre jedoch auf den "Ton der Story" bezogen.
    Zitat von mir:
    Von Beginn des ersten Albums an schlägt Ayroles einen lockeren Ton an, vermittelt eine positive Grundstimmung, die dann auch über beide Bände durchgehalten wird (mit einer Ausnahme, aber dazu weiter unten mehr).
    +
    Zitat von mir:
    Im Folgenden die Gründe, warum die Story mir eine positiv-lebensfrohe Atmosphäre vermittelt:
    Die Geschichte wird bereits mit einem launigen Ton eröffnet:
    Harpagon, das ist der Geizige in Molières gleichnamiger Komödie oder Argan, sein "eingebildeter Kranker" sind unzufrieden mit ihrem Leben, in gewisser Weise hassen sie es sogar und obwohl diese Lebensunlust im Mittelpunkt ihrer jeweiligen Geschichten steht, würde niemand bestreiten, dass es sich bei beiden Stücken um Komödien handelt.
    Ein Autor kann seinen Helden ziemlich übel mitspielen und dabei dennoch im Bereich des humoristischen bleiben.
    Es gibt sogar Autoren, die den Krieg als Lustspiel inszenieren.

    Aber auch wenn ich in meinen obigen Aussagen mehr die Geschichte denn die Figur Garulfo meinte, schließe ich mich hinsichtlich dieser hipgnosis an:
    Zitat von hipgnosis:
    Das Adjektiv lebensfroh würde ich schon als eines der gültigen auf Garulfos Wesenszüge gelten lassen.
    Garulfo erlebt Enttäuschungen, er wird desillusioniert, aber er kommt aus jeder Situation gehobenen Hauptes heraus.
    Wäre er nicht lebensfroh, würde er sich wohl eher deprimiert "hängen" lassen.
    Das meint wohl auch Ayroles:
    Zitat 1:
    Mais au fur et à mesure des pages et de l’avancement du récit, Bruno Maïorana et moi, nous nous sommes pris d’une énorme affection pour nos personnages. Nous nous sommes mis à croire au regard candide de Garulfo, à son optimisme débordant et à sa capacité à toujours faire face malgré l’adversité. Le happy end s’est donc imposé de lui-même : l’optimisme de notre grenouille ne pouvait que déboucher sur une issue positive.
    Kurze, sinngemässe Übersetzung:
    Ayroles sagt, dass Maiorana und er den Figuren mit fortschreitender Handlung mehr und mehr Zuneigung entgegenbrachten, dass der überschwengliche Optimismus Garulfos sie so sehr für diesen einnahm, dass ihnen nichts anderes übrig blieb, als dessen Geschichte positiv enden zu lassen.
    Zitat 2:
    Et en même temps le personnage principal est bon comme le bon pain, si positif qu’on ne pouvait pas le sacrifier à la fin.
    Im Prinzip: s.o.

    Interessant auch, wie sich nach Ayroles die Schaffensphase Garulfos darstellt: offenbar war geplant, die Geschichte düster enden zu lassen.
    Die Macher sind aber im Verlauf ihrer Arbeit in gewisser Weise dem Charme ihrer eigenen Figuren erlegen.

    Zitat von joox:
    2. Dein Adjektiv "positiv" passt weder auf Garulfos Stimmung noch auf seinen Charakter. Seien wir doch ehrlich, er ist in seinem Gespräch mit dem lieben Fulbert doch ein verdammter selbstgerechter "Kotzbrocken"!! ein blinder, unsensibler Fanatiker geradezu, der von seiner Mensch-Sein-Obsession derart geblendet ist, dass er seine treusten Freunde vor den Kopf stößt und in egozetrischem Selbstmitleid versinkt.
    Ich sehe ihn gar nicht so extrem.
    Seine Obsession ist für seine Umwelt doch völlig harmlos.
    Für mich gehört Garulfo eher in die Abteilung "gutmütig-sympathischer Spinner".
    Dass er auf Fulbert sauer ist: Nun ja, dafür hat er doch einen Grund.
    Schließlich ist der ein "Baby-Fresser".
    Da er seine Speise unbewußt verdrückte (und es sich schließlich "nur" um Kaulquappen gehandelt hat), kann ihm der menschliche Leser leicht verzeihen; Garulfo ist darüber aber völlig zu Recht empört (handelt es sich doch Nachwuchs der eigenen Art, er nennt Fulbert folgerichtig "Kindermörder").

    Bzgl. "positiv": s.o.

    Zitat von joox:
    Alles sehr richtig was du hier feststellst, kann ich alles unterschreiben, allerdings vergisst du dabei, dass in Garulfo, wie ich oben versucht habe zu zeigen, die Tiere die "Menschen" sind und die Menschen die "Tiere"!!!
    Naja, das Tiere wie Menschen agieren ist natürlich ein Wesensmerkmal der Fabel, aber nicht, dass Menschen sich wie Tiere verhalten.
    Außerdem verhalten sich die Menschen in Garulfo ja eigentlich gar nicht wie Tiere, sondern (leider) wie Menschen.
    Und wenn ich menschliches Verhalten anprangere, indem ich Menschen darstelle, die sich menschlich schlecht, inhuman oder wegen mir auch tierisch/bestialisch benehmen, dann ist das nur wegen letzterem Aspekt noch lange keine Fabel.
    Ich habe den kompletten LaFontaine (nicht Oskar! ) gelesen und so weit ich mich erinnern kann, Menschen allenfalls als "Fussnote" in dessen Falbeln erwähnt gefunden (etwa wenn ein Fuchs die Gans vom Bauer stiehlt).
    Zitat von joox:
    Wenn du mir bei deiner nächsten Antwort zugestehen würdest, dass etwas vom Ende dieses Traumes auch in Garulfo verarbeitet wird,...
    Prinzipiell gestehe ich jedem jede Meinung zu, oberster Grundsatz!
    Was die Desillusionierung angeht, bietet Don Quijote sogar eine hervorragende Parallele, obwohl der arme Kerl mit seinen geplatzten Illusionen sterben muss.
    Übrigens: Wußtest Du, das Don Quijote von der Literaturwissenschaft als Parodie gewertet wird?

    À propos Parodie.
    Da hatte ich ja frech behauptet:
    Zitat von mir:
    Klar, Garulfo soll wohl (einen "Tick" erwachsener) das für Märchen sein, was Lucky Luke für den Western ist und eine Parodie muss sich der Klischees bedienen dürfen, um sie auf die Schippe zu nehmen.
    +
    Zitat von mir:
    Auf jeden Fall beinhaltet die Serie parodistische, weil verzerrende Momente
    Da kommt doch dieser Ayroles daher und behauptet:
    Zitat von Ayroles:
    Toutes ces œuvres m’ont donné envie de faire du conte, de la légende mais en le traitant de manière humoristique sans pour autant tomber dans la parodie.
    Also er behauptet doch einfach, dass er mit Garulfo ein humoristisches Märchen erzählen wollte ohne diese zur Parodie zu machen.

    Naja, immerhin hat er erwähnt, dass es keine Parodie sein sollte.
    Was heißt, dass die Einschätzung nicht völlig von der Hand zu weisen ist.

    Hrmph ... your turn, Matbs.

  18. #18
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    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Da kommt doch dieser Ayroles daher und behauptet:
    Also er behauptet doch einfach, dass er mit Garulfo ein humoristisches Märchen erzählen wollte ohne diese zur Parodie zu machen.

    Naja, immerhin hat er erwähnt, dass es keine Parodie sein sollte.
    Was heißt, dass die Einschätzung nicht völlig von der Hand zu weisen ist.

    Hrmph ... your turn, Matbs.
    I rest my case.

  19. #19
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    Ups, schneller wie das Licht, der Kerl und daher sein Posting bereits vor meiner Aufforderung eines zu bringen.

    Aber "reste" noch nicht zu früh.
    Here I go again:
    Zitat von Matbs:
    Das stimmt natürlich, aber ich glaube nichtsdestotrotz, dass es den Märchen an einer gewissen Ikonizität mangelt, und sie entsprechend weniger gut parodierbar sind - es gibt einfach weniger allgemein bekannte inhaltliche und visuelle Klischees, mit denen man arbeiten könnte, m.M.n. eben genau deshalb, weil dieses Genre in unserer zeitgenössischen (Erwachsenen)Populärkultur relativ selten zutage tritt.
    Deswegen würde ich den potentiellen Parodiewert von Cowboyhüten, Ennio Morricone-Musik, Westernstädten und Sätzen wie "Diese Stadt ist zu klein für uns beide Fremder!" für deutlich größer halten, denn bei sowas denken wir wohl alle automatisch an Western. Bei Bauernlumpen, Mittelaltermusik und Burgen aber wahrscheinlich nicht automatisch an Märchen; da hat es einfach in den letzten Jahrzehnten keine Übersättigung mit einer entsprechenden Symbolik gegeben, die in uns das Bedürfnis weckt, uns drüber lustig zu machen.
    Ich glaube, da unterschätzt Du die Bild- und Wortsprache der Märchenwelt:
    Wir können hier zwar unmöglich die parodiefähigen Gemeinplätze der Märchen gegen die des Western aufrechnen, doch glaube ich, dass erstere den letzteren mitnichten nachstehen.

    Nehmen wir Deine Beispiele:
    Musik: O.K., mit Ausnahme der Zauberflöte (ist ja auch 'n Märchen) fällt mir nicht viel ein, was man parodieren könnte (die bekanntesten Märchen sind zwar alle vertont worden, Du selbst nanntest Peter und der Wolf, aber diese Vertonungen dürften lediglich Opernspezialisten bekannt sein).
    NUR: Musik lässt sich im Comic natürlich nicht parodieren.
    Insofern ist die leichte Parodierfähigkeit in diesem Punkt für den Comic natürlich nicht verwertbar.

    Assecoires:
    Für jeden Cowboyhut gibt es einen Ritterhelm, eine Tarnkappe oder den Hexenhut, in 1001 Nacht die Turbane,
    für jeden Colt gibt es ein Schwert oder Zauberstab, einen fliegenden Teppich,
    für jeden auf einem Kaktus sitzenden Geier den auf der Hexenschulter hockenden Raben bzw. deren bucklige Katze.
    Schwer zu vergleichen, aber da würde ich mal auf unentschieden tippen.

    Örtlichkeiten:
    Westernstädte, Saloons, sicher: eindeutig dem Western zuzuordnen,
    aber solche "eindeutigen Plätze" gibt es auch in Märchen: Das Knusper-Hexenhäuschen oder die Drachenhöhle, das Zauberschloss,
    dennoch würde ich hier einen leichten Vorteil beim Western vermuten.

    Wenn Du Zitate erwähnst, halte ich entgegen: "Knusper, knusper, kneischen ..." oder "was rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum ..." oder "Rapunzel, Rapunzel, laß Dein Haar herunter" oder "Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See" oder "Sieben auf einen Streich" oder "die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen" oder "Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich" oder "Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie" oder "damit ich Dich besser fressen kann" oder "Spieglein, Spieglein an der Wand" oder "Sesam, öffne Dich" usw. usw.
    Ich möchte wetten, wenn man eine Umfrage veranstalten würde, welche Western- und welche Märchenzitate man so kennt, hätten wir einen relativ eindeutigen Sieger.

    Eindeutige Sieger sind die Märchen sicher auch bei den zu parodierenden Personen: Wieviel Westernhelden und -schurken kennt man schon.
    Die Namen der Märchenhelden hingegen sind Legion:
    Von Schneewittchen bis Aladin, von Kalif Storch bis zur Prinzessin auf der Erbse.

    Auf Gleichstand würde ich wieder bei den Figuren-Stereotypen tippen:
    Einerseits der Cowboy, der Indianer, der Sheriff, der Totengräber usw.,
    andererseits schöne Prinzessin, Hexe, Zauberer, Fee, Elfe, Zwerge, Geister bzw. Dschinnis usw.

    Da halten sich die Märchen doch gar nicht so schlecht.

  20. #20
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    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Aber "reste" noch nicht zu früh.
    Ok.

    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Ich glaube, da unterschätzt Du die Bild- und Wortsprache der Märchenwelt:
    Wir können hier zwar unmöglich die parodiefähigen Gemeinplätze der Märchen gegen die des Western aufrechnen, doch glaube ich, dass erstere den letzteren mitnichten nachstehen.
    Ich glaube, da überschätzt du die Durchdringung des medialen Alltags mit Märchenklischees - wenn man nicht beim Erleben einer Geschichte mit den Augen rollt und sowas wie "nicht schon wieder" denkt, kann es mit dem Parodiepotential doch eigentlich nicht so weit her sein.


    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Assecoires:
    Für jeden Cowboyhut gibt es einen Ritterhelm, eine Tarnkappe oder den Hexenhut, in 1001 Nacht die Turbane,
    für jeden Colt gibt es ein Schwert oder Zauberstab, einen fliegenden Teppich,
    für jeden auf einem Kaktus sitzenden Geier den auf der Hexenschulter hockenden Raben bzw. deren bucklige Katze.
    Schwer zu vergleichen, aber da würde ich mal auf unentschieden tippen.
    Die Crux ist hier das, was ich mit "Ikonizität" meinte. Gehen wir doch mal die wahrscheinlichen Assoziationen der einzelnen Accessoires durch:
    Cowboyhut = Western. Beides ist untrennbar verbunden.
    Aber
    Ritterhelm ≠ Märchen. Kann zwar zusammengehören, aber zumindest ich würde beim einer solchen Kopfbedeckung nicht primär an Andersen, Hauff, Bechstein oder die Brüder Grimm denken (und in der Tat kommen Ritter in Märchen ja überraschend selten vor, die gehören eher in Sagen).
    Noch problematischer ist die Tarnkappe, die gehört zwar von ihrer Funktionsweise ganz sicher ins Reich der Märchen (obwohl auch sie ja durchaus ihren Platz in verschiedenen Sagen hat, ich verweise nur auf Alberich in der Nibelungensage), aber sie hat praktisch keinen visuellen Erkennenungswert, wenn wir das Wort "Tarnkappe" hören, sehen wir nicht alle einen ähnlichen Gegenstand vor unserem inneren Auge.
    Bei Turbanen denkt der Mensch von heute vor allem an bärtige Terroristenmullahs, und Auslegware ist ein Allgemeinplatz des Alltags mit einer Vielzahl möglicher Assoziatien (obwohl deren Anzahl zugegebenermassen stark abnimmt, sobald besagte Auslegware mit dem Levitieren anfängt ). Auch Schwerter sind zumindest in meiner Vorstellungswelt nicht untrennbar mit den Abenteuern des gestiefelten Katers verbunden (dem Garulfo ja übrigens in Bd. 4 über den Weg läuft). Bei Zauberstäben oder Hexenhüten magst du vielleicht recht haben, obwohl man hier ja auch an Halloween oder Karneval denken könnte - in der Tat würde ich hier argumentieren, dass diese Gegenstände zwar als durchaus "zauberhaft" gesehen werden, aber durch die populärkulturelle Zweitverwertung (also Verwurstung in modernen Geschichten mit übernatürlichem Touch, aber ohne klassischen Märchenflavor) womöglich von ihrer Ursprünglichen Assoziation ein gutes Stück weit abgetrennt wurden.
    Oh, und Katzen und Raben funktionieren m.M.n. überhaupt nicht als eigenständige typische Märchenaccessoires - Märchenassoziationen gibt´s hier nämlich nur in Begleitung einer Hexe, ansonsten denkt man bei Katzen an alles mögliche, aber nicht an Hänsel und Gretel.
    Insgesamt würde ich hier also den Western ganz klar im Vorteil sehen.


    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Örtlichkeiten:
    Westernstädte, Saloons, sicher: eindeutig dem Western zuzuordnen,
    aber solche "eindeutigen Plätze" gibt es auch in Märchen: Das Knusper-Hexenhäuschen oder die Drachenhöhle, das Zauberschloss,
    dennoch würde ich hier einen leichten Vorteil beim Western vermuten.
    Das Hexenhäuschen ist eindeutig märchenhaft, kommt aber in Märchen weit seltener vor als der Saloon in Western. Die Drachenhöhle ist nur dann märchenhaft, wenn ein Drache drin wohnt, sonst isses nämlich nur ein feuchtes Loch in ´nem Hügel (und selbst wenn ein Drache drin wohnt, denkt der moderne Rezipient möglicherweise eher an neuere Fantasy-Stoffe denn an echte Märchen). Und das Zauberschloss muss schon arg verzaubert aussehen, um Märchenassoziationen zu wecken, alles was weniger daherkommt als die Disney-Version hat´s da schwer.


    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Wenn Du Zitate erwähnst, halte ich entgegen: "Knusper, knusper, kneischen ..." oder "was rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum ..." oder "Rapunzel, Rapunzel, laß Dein Haar herunter" oder "Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See" oder "Sieben auf einen Streich" oder "die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen" oder "Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich" oder "Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie" oder "damit ich Dich besser fressen kann" oder "Spieglein, Spieglein an der Wand" oder "Sesam, öffne Dich" usw. usw.
    Ich möchte wetten, wenn man eine Umfrage veranstalten würde, welche Western- und welche Märchenzitate man so kennt, hätten wir einen relativ eindeutigen Sieger.
    Hmmmjaaaaaaok (Es gibt schon einen Grund, warum ich darauf im letzten Post nicht so richtig darauf eingegangen bin).
    Aber: Wenn du irgendwo im Alltag mal den "Knusper-knäuschen"-Spruch hören würdest, würdest du dich wahrscheinlich nicht genervt genug fühlen, um eine Parodie davon zu begrüßen (und wenn du mit einer konfrontiert wärst, würdest du die wahrscheinlich auch nicht unbedingt lustig finden, nur weil sie den Hänsel und Gretel-Spruch verballhornt).


    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Eindeutige Sieger sind die Märchen sicher auch bei den zu parodierenden Personen: Wieviel Westernhelden und -schurken kennt man schon.
    Die Namen der Märchenhelden hingegen sind Legion:
    Von Schneewittchen bis Aladin, von Kalif Storch bis zur Prinzessin auf der Erbse.

    Auf Gleichstand würde ich wieder bei den Figuren-Stereotypen tippen:
    Einerseits der Cowboy, der Indianer, der Sheriff, der Totengräber usw.,
    andererseits schöne Prinzessin, Hexe, Zauberer, Fee, Elfe, Zwerge, Geister bzw. Dschinnis usw.
    Das würde ich anders sehen: Bei Märchen kennt man viele einzelne Personen, die allerdings nicht allgegenwärtig genug sind, um universell parodierbar zu sein. Dazu gibt es eine Menge Archetypen, die allerdings oft keine festen, immer gleichen Charakeristika aufweisen, die sich für eine Parodie anbieten würden.
    Der Western hingegen hat nur wenige Archetypen (schon der Totengräber ist als Archetyp ja eher das Produkt einer Parodie, nämlich von LL - oder kannst du dich erinnern, in vielen Westernfilmen einen solchen Charakter entdeckt zu haben?), das prädestiniert ihn m.M.n. viel mehr zu Parodie, weil diese wenigen Archetypen in ihrer ständigen Wiederholung viel klarer umrissen, und dementsprechend in ihrer Essenz besser parodierbar sind.


    Insgesamt glaube ich, dass die Parodierbarkeit letzten Endes auch eine Frage des Mediums ist. Western sind uns vor allem aus Film und Fernsehen bekannt, zwei Medien die praktisch für uns alle Alltagsmedien sind, uns also ständig begleiten.
    Märchen hingegen begegenen uns vor allem in Buchform, und sind zudem gesellschaftlich einer spezifischen Zielgruppe zugeordnet, nämlich den Kindern, d.h. selbst wenn man regelmässig Bücher liest (was heute ja nicht mehr selbstverständlich ist), wird man in der Regel ab einem bestimmten Alter kaum noch mit Märchen in Kontakt kommen (ausser man liest sie seinen eigenen Kindern vor, aber auch da greifen wahrscheinlich viele Eltern zu anderen Stoffen). Im Endeffekt bedeutet das, dass den allermeisten von uns Märchen in einem bestimmten Alter begegnet sind, und wir Einiges davon zurückbehalten haben, weswegen sie den meisten Menschen in Deutschland geläufig sind - aber gleichzeitig begegnen wir nach dieser Phase nur noch selten Märchen.
    Western hingegen erleben wir wahrscheinlich erstmalig etwas später im Leben, aber dafür sind sie Teil der "Erwachsenenunterhaltung" (zugegeben, angesichts der inhaltlichen Qualität mancher Western eine etwas fragwürdige Distinktion), d.h. sie begegnen uns auch nach unserem zwölften Geburtstag immer wieder mal, und sei es nur beim Zappen im T.V.
    Zudem sind sie in ihrer Anlage visueller und ikonischer als Märchen (auch aufgrund ihres Primärmediums), weswegen man sich ihrer Attribute gut merken kann, und in ihrer relativen Einfachheit ist es sehr leicht, bestimmte Typen und Muster zu erfassen und zu behalten.
    Deswegen würde ich auch weiterhin argumentieren, dass sie insgesamt stärker ein Teil unserer Populärkultur sind als Märchen (die ich eher als Teil des kulturellen Backgrounds bezeichnen würde), und deswegen auch parodierbarer.

    Wie gesagt: Wenn man etwas so oft sieht (und dabei ist das Verb durchaus wichtig, denn Sehen ist intensiver als Lesen oder Hören, deswegen gibt´s ja sowas wie eine Text-Bild-Schere) und dabei die Augen rollt und sowas denkt wie "Och nö, nicht schon wieder" oder "ja klar, typisch", dann ist es gut parodierbar, denn nur dann ist man mit etwas vertraut genug, um eine absichtliche Verdrehung des ganzen als lustig zu empfinden. Und das klappt mit John Wayne, aber nicht mit Frau Holle (die ist einfach nicht ikonisch genug...).


    So, und zum Abschluss dieses öden, selbstgerechten Monologs gibt´s noch eine faszinierende Erkenntnis zu einer Person aus Garulfo:
    Seit Tagen frage ich mich schon, an wen mich Noemie erinnert, vorhin hat´s gerade "klick" gemacht:
    Schaut sie euch noch mal genauer an:
    Große Nase
    Sauertöpfischer Gesichtausdruck
    Weite, lange Kleider
    Ein komischer Breitkrempiger Hut...
    Ja genau, das ist doch


    Geändert von Matbs (30.11.2006 um 12:55 Uhr)

  21. #21
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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  22. #22
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    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Dann fehlen uns ja nur noch ca. 3000 Gleichgesinnte, und die Fortsetzung von Garulfo ist sicher...
    MÖÖÖPP! Einspruch!
    sind nur 2999, denn auch wenn das schon lang her ist, dass ich die serie gelesen hab, ich fand sie klasse! ich mag den frosch!

    9 von 10 punkten von mir und der letzte fehlende kommt wahrscheinlich dann noch dabei, wenn ich die serie auch zuende goutieren kann.

    ansonsten: echt großes kino was ihr da veranstaltet!
    mein deutschlehrer wär begeistert gewesen, wenn ich sowas rausgehauen hätte.

  23. #23
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Ich merk´s schon - einige hat´s hier sicherlich verschreckt.

    Lasst Euch von den teils langen und intensiven Postings nicht abschrecken - auch ein kleiner Beitrag - siehe den von embe - fördert die Diskussion und lässt uns an eurer Wertschätzung oder vielleicht sogar Geringschätzung für Garulfo teilhaben.

    Es gibt sicherlich noch einiges zu berichten - also nur keine Scheu!

  24. #24
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    Uhh, hip, warte, Du hast doch nicht gedacht, ich sei schon fertig?
    Der felix muss dieser Tage nur etwas länger arbeiten und wenn er von der Arbeit aus posten würde, dann könnte er sich bald keine Comics mehr leisten ...
    Außerdem muss ich mich nochmal etwas austoben, da ich mich an den letzten Stammtischen dieses Jahres mangels Comic-Maße nicht beteiligen kann.

    Werd' mich auch kurz fassen ...


    O.K., war ein Scherz:

    Führt uns jetzt zwar nochmal ein bissl von Garulfo weg, aber so lange es niemanden langweilt (und zwei der letzten drei Postings sind zumindest nicht so zu deuten):
    Zitat von Matbs:
    ... und zum Abschluss dieses öden, selbstgerechten Monologs ...
    War doch gar keiner.
    Alles sehr klug was Du schreibst, aber Matbs, Du dachtest doch nicht, dass ich mich schon geschlagen gebe!
    En garde !
    Zitat von Matbs:
    Wenn man etwas so oft sieht (und dabei ist das Verb durchaus wichtig, denn Sehen ist intensiver als Lesen oder Hören, deswegen gibt´s ja sowas wie eine Text-Bild-Schere) und dabei die Augen rollt und sowas denkt wie "Och nö, nicht schon wieder" oder "ja klar, typisch", dann ist es gut parodierbar, denn nur dann ist man mit etwas vertraut genug, um eine absichtliche Verdrehung des ganzen als lustig zu empfinden. Und das klappt mit John Wayne, aber nicht mit Frau Holle (die ist einfach nicht ikonisch genug...)
    Ob John Wayne bekannter ist als Frau Holle?
    Na, da melde ich doch mal Zweifel an.
    Das Bild einer alten Dame, die ein Kissen schüttelt, dessen Federn sich während des Fallens in Schneeflocken verwandeln, kennen bestimmt mehr Menschen als das Antlitz von John Wayne (zumindest in Europa; wenngleich gerade die Grimmschen Märchen auch in Übersee sehr beliebt sein sollen).
    Der Wiedererkennungswert von Frau Holle liegt zwar nicht in ihrem Gesicht (das ist "austauschbar"), sondern in ihrem Handeln.
    Für eine Parodie ist dies aber auch wichtiger, da man ein Gesicht nicht parodieren, nur karikieren kann.
    Ganz im Gegensatz zu einer Handlung (z.B. das Kissen ausschütteln): die lässt sich parodieren.

    Aber prinzipiell: Vielleicht schreit das, was einem die "Augen rollen" lässt, lauter nach Parodie als etwas, das man noch nicht ganz so satt hat (Parodie ist ja in gewisser Weise ein Akt der Gegenwehr), aber parodierbar ist nicht nur Bekanntes, sondern prinzipiell erst einmal so gut wie alles.

    Die Parodie bedient sich zwar in aller Regel bekannter Stoffe, aber dies hat natürlich auch nicht zu unterschätzende kommerzielle Gründe (z.B. wenn MAD einen aktuellen Blockbuster verulkt, dann natürlich, weil man von dessen Erfolg profitieren will, nicht unbedingt weil man den Film so mies findet).
    Es gibt durchaus auch Parodien für ein Insider-Publikum, die nur ein kleiner Kreis von "Eingeweihten" verstehen kann.

    Damit will ich ein bisschen von der Idee wegführen, dass nur das parodierbar ist, dass uns alle schon so annervt, dass wir schon beim bloßen Gedanken daran die Krise bekommen.
    Nehmen wir nur mal Lucky Luke.
    Eine Menge Western-Fans, die das Genre überhaupt nicht ablehnen, sondern lieben, mögen auch den "poor lonesome cowboy".
    Und viele dieser Western-Fans haben die Klischees ihres Genres regelrecht lieb gewonnen.

    Kurz: Dass uns Märchen-Klischees (scheinbar) nicht so sehr abnerven wie Western-Klischees hat sicher damit zu tun, dass wir ersteren in späteren Lebensjahren nicht mehr so häufig begegnen wie letzteren (obwohl, ... aber dazu weiter unten mehr ...).
    Dass heißt aber nicht, dass uns nicht wieder alles "hochkommen" würde, sobald wir wieder mit diesen konfrontiert würden.
    Vielleicht werden sie ab einem bestimmten Alter ja nicht nur deshalb abgelehnt, weil wir erwachsener geworden sind, sondern auch weil wir sie vorhersehbar finden, sie satt haben.

    Meiner Meinung nach unterschätzt Du die Wirkung des Unterbewußtseins. Märchen sprechen dies nicht nur in starkem Maße an (Jung u.a. haben sich darüber die Finger Wund geschrieben), sie werden auch in der Zeit vermittelt, in der der Geist am formbarsten ist.
    Die in der Kindheit vermittelten "Bilder" verfestigen sich in ungleich intensiverem Maße wie die, die man in späteren Jahren "erlernt".
    Sie begleiten durch das ganze Leben.

    Sicher, etwas, das man sieht, bleibt besser im Gedächtnis wie etwas, über das man nur liest oder von dem man nur hört .
    Aber die Bilder, die ein Kind beim Lesen oder Hören eines Textes selbst im Kopf entwickelt sind wahrscheinlich stärker als die, die es im Fernsehen sieht.
    Abgesehen davon sind die meisten Märchenbücher mit den Schlüsselszenen der jeweiligen Geschichten illustriert.
    Auch diese Illustrationen verfehlen ihre Wirkung nicht.

    Im Prinzip wird dies wohl jeder an sich selbst nachvollziehen können: Die intensivsten Erinnerungen, die Menschen haben, sind in aller Regel die der Kindheit.

    Jetzt nochmal zur vermeintlich so starken Präsenz von Western-Symbolik in der heutigen Zeit.
    Ist die denn noch vorhanden?
    Die Welt des wilden Westens ist heutzutage weit weniger präsent als in den 1950ern bis 1970ern ("zufälligerweise" auch der großen Zeit des Lucky Luke ?).
    In den von Kindern und Jugendlichen gegenwärtig genutzten Medien ist das Western-Genre doch allenfalls eine Randerscheinung.
    "Der mit dem Wolf tanzt" war wohl der letzte große Western-Kinoerfolg (und ich vermute, dass hatte er bereits zur Zeit seines Erscheinens eher einem erwachsenerem Publikum zu verdanken).

    Hingegen:
    Selbst in Zeiten relativer Leseflaute, gibt es immer noch Kinder, die lesen, Eltern, die vorlesen, Kinder, die zu Festtagen Märchenvorstellungen oder Puppentheater besuchen (ein besonders eindrucksvolles und damit einprägsames Ereignis für ein Kind) und - natürlich - Zeichentrickfilme anschauen (Disney hat ja beinahe alle der bekannteren Grimmschen Märchen verfilmt und mit Aladin auch die 1001 Nacht in sein Repertoire aufgenommen).

    Im Heute kommt man wohl eher mit den "modernen Märchen", der Fantasy, via Filmen, Romanen, Computerspielen usw. in Kontakt, die nahezu allesamt mit Märchen-Versatzstücken durchsetzt sind.
    Die Grenzen zwischen diesen beiden Genres, aber auch denen der Sagen- und Märchenwelt würde ich ohnehin als fließend bezeichnen.
    Insofern verstehe ich nicht ganz die von Dir "geforderte" klare Abgenzung:
    Zitat von Matbs:
    Cowboyhut = Western. Beides ist untrennbar verbunden.
    Aber
    Ritterhelm ≠ Märchen. Kann zwar zusammengehören, aber zumindest ich würde beim einer solchen Kopfbedeckung nicht primär an Andersen, Hauff, Bechstein oder die Brüder Grimm denken (und in der Tat kommen Ritter in Märchen ja überraschend selten vor, die gehören eher in Sagen).
    Noch problematischer ist die Tarnkappe, die gehört zwar von ihrer Funktionsweise ganz sicher ins Reich der Märchen (obwohl auch sie ja durchaus ihren Platz in verschiedenen Sagen hat, ich verweise nur auf Alberich in der Nibelungensage), aber sie hat praktisch keinen visuellen Erkennenungswert, wenn wir das Wort "Tarnkappe" hören, sehen wir nicht alle einen ähnlichen Gegenstand vor unserem inneren Auge.
    Sicher, einen Ritterhelm kann man auch z.B. in einem parodistischen Rittercomic (ganz ohne Märchenanklang) unterbringen, aber ein Cowboyhut steht keineswegs so eindeutig für Western wie Du schreibst.
    Mit einem Cowboyhut kann ich auch "durch die Zeiten wandern" und ihn für den texanischen Ölbaron in Anspruch nehmen.

    Es kommt eben immer auf den Kontext an:
    Habe ich eine Krone und setze diese einem König auf, kann das für ein Märchen, aber auch für eine Rittergeschichte oder anderes stehen.
    Setze ich die Krone auf das Haupt eines Frosches, wird es eindeutig.

    D.h.:
    Wenn ich einen eindeutigen Kontext vorgebe, fehlt es auch den von mir genannten Requisiten nicht an Eindeutigkeit.
    Im Falle eines Märchens brauche ich nur mit den Worten "Es war einmal" zu beginnen und die genannten Requisiten bedürfen keines erläuternden Kommentars.
    In anderen Worten: Das ein Begriff mehrere Assoziationen hervorruft ist im Falle einer Parodie doch gar nicht schädlich. Das Ambiente in das die Erzählung gebettet ist, schafft die notwendige Eindeutigkeit.

    In diesem Zusammenhang:
    Zitat von Matbs:
    Bei Turbanen denkt der Mensch von heute vor allem an bärtige Terroristenmullahs, und Auslegware ist ein Allgemeinplatz des Alltags mit einer Vielzahl möglicher Assoziatien (obwohl deren Anzahl zugegebenermassen stark abnimmt, sobald besagte Auslegware mit dem Levitieren anfängt ).
    Denk' mal an Isnogud: Turbane und fliegende Teppiche.
    Der richtige Kontext und man kann das Assoziieren schon fast vergessen, so klar ist, was gemeint ist.

    Allerdings finde ich, dass Du Dich in Deiner Argumentation ohnehin zu sehr auf den Wiedererkennungswert der Bildwelten der Genres kaprizierst.
    Schließlich werden nicht Cowboyhüte in Lucky Luke parodiert, sondern Story-Elemente (Angriff der Indianer usw.).
    Insofern kommt es meiner Ansicht nach vielmehr darauf an, Handlungsmuster denn einzelne Gegenstände wiederzuerkennen.
    Ein märchenspezifisches Plot-Element sind z.B. die berühmten "drei Wünsche", die der Held frei hat.

    In puncto bekannte Handlungselemente sehe ich allerdings einen klaren Vorteil auf Seiten der Märchen, denn die meisten von ihnen sind aufgrund der starken Wirkungsentfaltung in der Kindheit fest auf der Speicherplatte des Hirns ihrer Rezipienten eingebrannt.
    Nur in einer Geschichte mussten wir von einem vergifteten Apfel lesen, um diesen auf Dauer korrekt Schneewittchen zuordnen zu können.
    Nur in einem Märchen mussten wir von der Hexe, die ein Kind mästet lesen, um (wahrscheinlich bis zu unserem Tod) zu wissen, dass Hänsel und Gretel gemeint ist
    usw. usf.
    Handlungselemente, die wir sofort mit Märchen verbinden.
    Und jetzt vergleich' mal, wie viele Märchen der "Otto-Normalverbraucher" halbwegs anständig nacherzählen kann (und damit: wieviel Plot-Elemente er memoriert hat) und wieviele Westernstories (oder typische Western-Sequenzen) er wiedergeben kann.

    Die dauernde Wiederholung ist also bei weitem nicht allein ausschlaggebend für den Wiedererkennungswert.
    Viel wichtiger scheint mir, im "prägungsfähigen und -willigen" Alter von bestimmten Geschichten gehört, diese gelesen oder gesehen zu haben.
    Geändert von felix da cat (30.11.2006 um 19:20 Uhr) Grund: Nebensatz eingefügt

  25. #25
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    Ich bin mal so frei zu erzählen, wie ich persönlich Western einerseits und Märchen andererseits aufgenommen habe seit Kindertagen.

    Cowboy-und-Indianer haben wir schon als ca. Sechsjährige gespielt, mit entsprechendem Spielzeug usw. Dazu kamen Bildergeschichten um Winnetou und seine "Oldies" sowie um Rin Tin Tin (kennt Ihr diese "Töle" noch?), etwas später, ca. als Zehnjähriger die Karl-May-Romane. Im TV bald auch Bonanza, Lederstrumpf, dann diverse Kinowestern und weitere TV-Serien. Als Student fing ich irgendwann an, mich für die Geschichte des "Wilden Westens" zu interessieren, nochmal befeuert 1991 durch Kevin Costners tanzenden Wolf. Dazu natürlich Lucky Luke über Jahrzehnte. Zweimal bin ich mittlerweile für jeweils rund einen Monat vor Ort gewesen. Kurz: der Westen und der Western waren und sind für mich ein faszinierendes Dauerthema.

    Zu den Märchen: das ging vielleicht noch einen Tick früher los, mit dem Vorlesen am Bett, mit Märchen-Schallplatten, mit Märchenbüchern. Aber mit rund 10 Jahren war das "out", Kinderkram. Heute lösen die entsprechenden Utensilien bei mir kaum noch Nostalgieeffekte aus, ganz im Gegensatz zu vielem Anderen. Kann also so ganz tief nicht gegangen sein. Märchen hatten - im Gegensatz zum Western - immer den Touch des Nicht-Wirklichen. Märchen spielten "im Märchenland", also in einer Welt, in der alles möglich war, was sonst nicht möglich war. Und wurden deshalb von mir vermutlich nicht besonders ernst genommen. Auch die Prinzessinen, die ständig von charakterlich untadeligen Königssöhnen gerettet wurden, hauten mich in dem Alter nicht vom Hocker!

    Das war aber wohl, soweit ich mitgekriegt habe, für weibliche Märchenrezipienten oft völlig anders!

    Langer Rede kurzer Sinn: ich vermute, daß für Leute unserer Generation (die, äh, Vor-68er, und vielleicht noch ein paar mit der Gnade der etwas späteren Geburt ...) in der Mehrzahl gelten dürfte: für Jungs/Männer waren Western meistens prägender, für Mädchen/Frauen Märchen.

    Heute, denke ich, schöpft die Unterhaltungsindustrie aus sämtlichen ihr zur Verfügung stehenden Quellen und produziert daraus mehr oder weniger Neues. Karl May, John Wayne, Gebrüder Grimm - sie alle sind nur noch einzelne Quellen unter vielen - und diesbezüglich vermutlich längst nicht mehr von überragender Bedeutung.
    Geändert von Kaschi (30.11.2006 um 21:45 Uhr)

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