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  1. #51
    Moderator Splitter Forum
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    @ hi alle


    ich bin mal wieder (wie meist) zu spät und habe einen
    interessanten thread "live" verpasst.

    nichtdestotrotz gehöre ich zur alten zack-generation
    und habe alles mit interesse gelesen. dabei nehme
    so ca. die stellung(nahme) von zaktuell ein, der schreib:


    "... So strotz der Artikel ja -trotz des Bemühens, als wissenschaftlich
    abgesichert zu erscheinen (nicht umsonst werden oftmals vermeintliche
    'Fachleute' zitiert)- ja vor sachlichen Fehlern und lassen nicht nur
    vollkommen unberücksichtigt, dass die Original-Comics in Frankreich
    unabhängig von der Gedankenwelt eines Axel Springer entstanden waren,
    sondern auch, zu welcher Zeit sie dort erschienen. ..."


    für mich spiegelt das alte zack der frühen jahre ein sehr realitisches
    bild der damaligen welt im realen, sowie in der damaligen sichtweise
    - wie man typische abenteuer erzählt - wieder.
    natürlich waren welche schon "weiter" und konnten der drohenden
    entwicklung vorausschauend ihren daumen draufdrücken. ich jedenfalls
    fühle ich mich heute in den "unterhaltenden" storyscripts stärker
    ideologisch beeinflusst, als von den damaligen. unser heutiges weltbild ist nicht
    differenzierter und nur wenige geschichten kommen ohne das gute
    und das böse aus. nur wird das heutzutage viel mehr "versteckt" oder
    einfach nicht mehr angesprochen.

    die bösen sind gleich alle ausserirdische (hoffentlich kommen die uns
    mal nicht auf die schliche) oder reiche und industrielle. und die armen sind
    alle unschuldig. dies trägt wohl auch kaum zu einer differenzierten
    und befriedigenden denkweise bei. ich jedenfalls habe unter dem alten zack
    nicht gelitten und würde meinen sprösslingen ein zack viel lieber vorsetzen,
    als so manch aktuelle neue produktion aus unserer - ach so schön differenzierenden -
    produkt und klischeewelt.

    cu

    horst
    Geändert von horst (04.10.2001 um 22:50 Uhr)

  2. #52
    ist irgendwie doch wieder zaktuell Avatar von ZAQ
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    ...und die Innovationen von heute sind die Klischees von morgen...

  3. #53
    Mitglied Avatar von Sleeping Sun
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    Wink Was kommt nach "Das war Zack"

    Ziehstripp:

    Über die Zeit nach der Serie "Das war Zack" brauchen wir uns noch keine Gedanken machen.

    Bei dem Tempo, wie die Fortsetzungen veröffentlicht werden, dauert es mindestens noch ein Jahr, bis sie fertig ist.

    MP

  4. #54
    Mitglied Avatar von Ziehstripp
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    Wink

    Oder mindestens 12 Monate

  5. #55
    Mitglied Avatar von BobCramer
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    Talking Ideologie von Comics

    Hier noch ein etwas verspäteter Beitrag zum Thema "Ideologie der Comics".

    Es kann meines Erachtens nicht angehen, dass man die ideologisch zweifelhaften Tendenzen eines bestimmten Comics mit dem Argument ignoriert, es handle sich hier ja "nur" um einen Trvialstoff und eine Abenteuererzählung. Es kann auch nicht sein, dass es per se erlaubt sein soll, in einem Comic z.B. rassische Ressentiments zu verbreiten, bloß weil die Erzählform als solche nach einem Gut/Böse-Schema verlangt.

    Wenn das tatsächlich erlaubt sein sollte - kann und darf man heute beispielsweise problemlos die üblen Afrikaner-Klischees aus "Tim im Kongo" wiederholen? Darf man Indianer, Schwarze, Mongolen oder wen auch immer als Antagonisten nutzen und dabei die wahrscheinlichen Vorurteile und Ressentiments des Lesers gleich mit einplanen? Darf man Schwule, Frauen, womöglich Juden diskriminieren, bloß weil das Gut/Böse-Schema dies erfodert?

    Eben nicht. Zumindest heutzutage muss man, wenn man mit derlei Ressentiments operiert, mit einer kritischen Diskussion rechnen - zu Recht. Vor drei oder vier Jahrzehnten war das noch nicht unbedingt der Fall. Heute dagegen gibt es glücklicherweise ein öffentliches Bewußtsein, das sich mit derlei Tendenzen auseinandersetzt.

    Dass man spannende Comics erzählen kann, ohne auf plumpe Ressentiments zurückzugreifen, haben z.B. Charlier und Giraud mit der Entwicklung von "Blueberry" bewiesen. In den ganz frühen Alben wurden noch relativ sorglos - wenn auch im harten, ehrlichen Kampf - von der tapferen Kavallerie Indianer erschossen. Alles in allem wurde, wenn auch in abgeschwächter Form, durchaus das Indianerklischee bedient, wie man es aus den alten Hollywood-Western kannte.

    Dann, in den späten 70ern, wurde Blueberry sozusagen selbst zum Indianer, und das Indianerbild der Serie wandelte sich radikal. In "Gebrochene Nase", "Der lange Marsch" oder "Der Geisterstamm" wurden die Apachen mit der größten Hochachtung gezeichnet, während dekadente, degenerierte, pervertierte Weiße wie Eggskull das Feindbild abgaben und die Vernichtung der indianischen Kultur kritisiert wurde. Kurz, Charlier/Giraud haben in diesen Geschichten ohne die alten Klischees und Ressentiments gearbeitet. Und sie haben trotzdem - was wohl unstrittig ist - im Rahmen eines bestimmten Genres künstlerisch herausragende Comic-Erzählungen produziert, die lesbar und packend waren.

    Kurzum: Künstlerische Qualität und eine differenzierte Perspektive schließen sich auch bei Abenteuerstoffen keineswegs aus. Es ist letzten Endes eine Frage des Talents und des Willens der beteiligten Künstler, ob und inwieweit sich beides vereinen läßt.

    Gruß
    Jürgen
    Geändert von BobCramer (07.10.2001 um 18:02 Uhr)

  6. #56
    ist irgendwie doch wieder zaktuell Avatar von ZAQ
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    Re: Ideologie von Comics

    Original geschrieben von Jürgen Veile
    (...)Dass man spannende Comics erzählen kann, ohne auf plumpe Ressentiments zurückzugreifen, haben z.B. Charlier und Giraud mit der Entwicklung von "Blueberry" bewiesen. In den ganz frühen Alben wurden noch relativ sorglos - wenn auch im harten, ehrlichen Kampf - von der tapferen Kavallerie Indianer erschossen. Alles in allem wurde, wenn auch in abgeschwächter Form, durchaus das Indianerklischee bedient, wie man es aus den alten Hollywood-Western kannte.(...)
    Im allerersten BLUEBERRY-Band 'Fort Navajo' von 1963 herrschte bereits das gewandelte Klischee vom 'edlen Wilden' vor: Das Böse war hier eindeutig durch den 'Indianerhasser' Bascom personifiziert, die Indianer waren durchweg die von den Weissen betrogenen Opfer.
    Von 'hartem, ehrlichen Kampf' kann schon im zweiten Aufeinandertreffen von Indianern und Weissen nicht die Rede sein: Eine Gruppe von arglos ("Wir haben nichts zu befürchten! Apachen leben in Frieden mit Soldaten!") dahinziehenden Indianern werden -in der Tat sorglos- dahingemetzelt.

    Daran hat sich lange Jahre nichts geändert:
    'Das Gute' war stehts die Mehrzahl der Indianer UND Weissen, welche bemüht waren, friedlich miteinander zu leben.
    'Das Böse' waren immer vereinzelte Individuen (Bascom, der einsame Adler, Steelfingers) aus beiden Lagern, die versucht haben, diese Friedensbemühungen zu sabotieren. Einzig die Mexikaner kamen schlecht weg: Sie waren immer diejenigen, die aus dem rot-weissen Konflikt ihren Vorteil zogen und die Indianer mit Waffen und Wiskey versorgten...

    Gruss!,oliver

  7. #57
    Moderator Splitter Forum
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    Thumbs up

    hallo jürgen,

    you'r right...

    zweifelhafte tendenzen sollten schnell offengelegt werden.
    aber eben auch mit vernünftiger und realistischer sichtweise.

    im prinzip beschreibst Du doch an dem beispiel "blueberry" genau
    die tatsache, um die es geht. autor und zeichner wachsen innerhalb
    der serie über die üblichen klischees hinaus und "reifen" zu einer
    neuen sichtweise, die einher geht mit der gesamtkulturellen entwicklung.

    aber nichts destotrotz war die serie blueberry - und eben "blueberry" selber -
    schon "von anfang an" ein kämpfer für gerechtigkeit und gegen rassenwahn.
    das er erst innerhalb der albenreihe auch optisch und schauplatzmässig
    die rollen tauscht ist ja fast zwingend.

    und genau die serie bluebrry zeigt, das die sichtweise der presse (zum
    thema zack) doch etwas kurzsichtig war. blueberry steht symbolisch für die
    orientierung von zack (comicunterhaltung mit niveau) und nicht für eine
    fehlgeleitete (mitte-rechts???) orientierung, derer sich der springer-verlag
    bediente.

    horst

  8. #58
    ist irgendwie doch wieder zaktuell Avatar von ZAQ
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    Re: Ideologie von Comics

    Original geschrieben von Jürgen Veile
    (...)Es kann auch nicht sein, dass es per se erlaubt sein soll, in einem Comic z.B. rassische Ressentiments zu verbreiten, bloß weil die Erzählform als solche nach einem Gut/Böse-Schema verlangt.

    Wenn das tatsächlich erlaubt sein sollte - kann und darf man heute beispielsweise problemlos die üblen Afrikaner-Klischees aus "Tim im Kongo" wiederholen? (...)
    Natürlich hast Du Recht, aber irgendwie gehts n bisserl am Thema vorbei:
    Natürlich darf man HEUTE solche Klischees nicht mehr 'unterstützen'. Ebenso natürlich muss man HEUTE in die Beurteilung von Klischees die Zeit mit einbeziehen, in der das Werk, das die Klischees verwendet, entstanden ist. Und das war eben auch zu Zeiten des Erscheinens des Spiegel-Artikels natürlich schon so, wurde dort aber eben nicht berücksichtigt. Will sagen: Der Spiegel-Artikel beurteilt damals schon verALTEte Comics (franco-belgischer Herkunft) mit der damals AKTUELLEN Weltsicht (und als wären sie von Springer persönlich zur geistigen Formung 'unserer Jugend' gezeichnet und getextet worden). Gut, überspitzt formuliert, aber ich denke, so wirds klar. So verkehrt wie die Beurteilung (und ihr Ansatz und ihre Argumentation) auch war, so muss man HEUTE doch auch wieder die damalige Zeit in die Beurteilung dieser Vorgehensweise einbeziehen...

    Ergo: Was immer beurteilt wird, man kann es nicht loslösen vom geistigen Klima zur Zeit seiner Entstehung. Weder Comics noch die 'Berichterstattung' darüber. Und da kommt bei der Beurteilung des Spiegel-Artikels eben auch noch hinzu: Nicht nur, dass der Spiegel-Autor gegen Springer schreiben musste, er konnte auch auf fast keine Comic-Sekundärliteratur zur Recherche zurückgreifen, da es sie schlicht zu der Zeit noch kaum gab (und noch weniger Gute und auch kaum ausserhalb der Fan-Scene, die freilich 1972 auch erst in der Entstehung begriffen war...).

    Gruss!,oliver

    PS: Aber natürlich darf und muss man auch heute noch mit bestimmten Klischees arbeiten: Kann sich jemand Baba in ASTERIX vorstellen mit schmalen Lippen, dünner Nase und ein 'r' aussprechen könnend? Wollen wir tatsächlich in Lucky Luke einen fleissigen Schwarzen sehen, der sich kaum bremsen lässt, seinem 'Massa' im Eiltempo zu dienen? - Und schliesslich: Grade im Humorbereich wo es oft drauf ankommt, schnell und ohne lange Erklärungen zur Pointe zu kommen, ist die Verwendung von Klischees unabdingbar:

    Schottische Tomatensuppe? - Heisses Wasser im roten Teller!

    Sowas (ein bewusst harmloses Beispiel) funktioniert nur, weil/wenn das Klischee vom Geiz der Schotten bekannt ist...

  9. #59
    Mitglied Avatar von BobCramer
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    Blueberry und die Indianer

    Original geschrieben von zaktuell


    Im allerersten BLUEBERRY-Band 'Fort Navajo' von 1963 herrschte bereits das gewandelte Klischee vom 'edlen Wilden' vor: Das Böse war hier eindeutig durch den 'Indianerhasser' Bascom personifiziert, die Indianer waren durchweg die von den Weissen betrogenen Opfer.
    Von 'hartem, ehrlichen Kampf' kann schon im zweiten Aufeinandertreffen von Indianern und Weissen nicht die Rede sein: Eine Gruppe von arglos ("Wir haben nichts zu befürchten! Apachen leben in Frieden mit Soldaten!") dahinziehenden Indianern werden -in der Tat sorglos- dahingemetzelt.
    Gruss!,oliver
    Es ist natürlich völig richtig, dass bereits in "Fort Navajo" ein progressiveres, differenzierters Indianerbild gezeichnet wurde als in den meisten alten Hollywood-Western - und dass Bascom als verrückter Rassist porträtiert wurde.

    Nur um nochmals zu verdeutlichen, was ich meine: In der Indianer-Trilogie der späten 70er/frühen 80er haben Charlier und Giraud mit Sorgfalt und eindeutiger Sympathie ausführlich das Leben und Leiden der Indianer geschildert, die physisch wie kulturell vernichtet werden. Aus diesen Schilderungen heraus - und weil Blueberry als Protagonist eindeutig auf Seiten der Indianer agiert - wächst im Lauf der Erzählung die Bereitschaft, sich mit den Indianern und ihrem Schicksal zu identifizieren.

    In den früheren Indianer-Bänden der 60er Jahre wird zwar bereits klargestellt, dass die Apachen die schuldlosen Opfer übler Intrigen sind. Wir erhalten aber - anders als in den späteren Bänden - kaum Einblick in ihre Lebensgewohnheiten, und Blueberry agiert auch nicht als Quasi-Stammesgenosse, sondern als Kavallerist.

    Kurz: Die Indianer bleiben auch in diesen Bänden die Fremden und potentiellen Feinde, und sie werden auch in diesen Bänden regelmäßig als Kanonenfutter eingesetzt, um spannende Actionszenen zu kreieren. Dabei werden sie als anonyme Masse von den Soldaten bekämpft. Sie werden regelmäßig niedergeschossen oder unter einem Steinhagel begraben ("Der einsame Adler", S. 35) oder in die Luft gesprengt ("Aufruhr im Westen", S. 17). Und sie haben dabei nicht unsere Sympathien oder unser Verständnis auf ihrer Seite - während die Autoren ständig Identifizierungsangebote für die von den Indianern bekämpften Soldaten unterbreiten. (Matt schildert in "Der einsame Adler", S. 18, ausgiebig das Schicksal des dahingemetzelten Trupps.)

    Was ich damit sagen will: In diesen Bänden wird letzten Endes noch das alte, wenn auch abgemilderte Gut/Böse-Schema angewendet - gerade weil die Indianer nur als anonyme Angreifermasse auftreten und weil wir uns mit den malträtierten Soldaten identifizieren sollen.

    In der späteren Indianer-Trilogie ist das - aus den oben genannten Gründen - ganz anders. Die Identifikation findet mit den Indianern statt, das Thema ist ihr Überlebenskampf - und nicht der Überlebenskampf der Kavallerie. Die Indianer sind keine anonyme Manövriermasse mehr, die man innerhalb Plots bei Bedarf als Feinde anreiten (und niederknallen) lassen kann.

    Im übrigen sind auch die weißen Bösewichte in meinen Augen in den späten Bänden viel eindrucksvoller. Während Bascom als quasi motivationsloser grimassierender Blödmann und daher klischeehaft erscheint, ist Eggskull ein komplexer, ausgearbeiteter - und natürlich perverser - Charakter. Ähnliches gilt (einige Bände früher) für General Allister, der als karrieresüchtiger Widerling charakterisiert wird.

    Alles in allem bleibt "Blueberry" einfach ein großartiges Beispiel dafür, wie sich die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten von Comicmachern im Laufe der Jahre verfeinern können - und ihre Arbeiten dadurch eine ganz neue Qualität gewinnen. Dies alles, nicht zu vergessen, stets im Rahmen einer betont kommerziellen, genredefinierten Erzählung, die nicht für irgendwelche Avantgardisten hergestellt wurde.

    Gruß
    Jürgen

  10. #60
    Mitglied Avatar von BobCramer
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    Ideologie der Comics

    @ zaktuell:

    Natürlich darf man HEUTE solche Klischees nicht mehr 'unterstützen'. Ebenso natürlich muss man HEUTE in die Beurteilung von Klischees die Zeit mit einbeziehen, in der das Werk, das die Klischees verwendet, entstanden ist.

    Da muss ich zurückfragen: Warum durfte man die Klischees DAMALS unterstützen? Waren sie damals weniger falsch und gefährlich als heute?

    Im übrigen beziehe ich natürlich in der Beurteilung solcher Geschichten die Zeit ihrer Entstehung mit ein.

    Letzten Ende geht es doch um zwei Dinge, die zunächst nichts miteinander zu tun haben:

    1) Man beurteilt das Klischee oder das Ressentiment aus moralischer/ethischer Sicht und kommt zu dem Ergebnis, dass es eben zweifelhaft ist.

    2) Man sieht sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an und untersucht, wie das Klischee/das Ressentiment entstehen konnte.

    Es geht also zum einen um eine moralische Kategorisierung und zum anderen um eine soziokulturelle Untersuchung. Das sind zwei verschiedene Dinge.

    @ zaktuell
    Der Spiegel-Artikel beurteilt damals schon verALTEte Comics (franco-belgischer Herkunft) mit der damals AKTUELLEN Weltsicht (und als wären sie von Springer persönlich zur geistigen Formung 'unserer Jugend' gezeichnet und getextet worden).

    Nun, zum einen waren, als der SPIEGEL-Artikel erschien, die ältesten Blueberry-Geschichten ja gerade neun Jahre alt. Zum anderen gab es damals ja nicht so etwas wie eine AKTUELLE Weltsicht. Es waren, wie bereits erwähnt, schwerste ideologische Kämpfe im Gang, die sogar auf der Ebene des reinen Terrors ausgetragen wurden.

    Aber dass ZACK natürlich nicht lanciert wurde, um Springers Weltsicht zu propagieren oder die Jugend im Kampf gegen den linken Feind zu einen, dürfte heute unbestritten sein. Dass der SPIEGEL-Artikel da völlig übers Ziel hinaus geschossen ist, ist klar.

    @ zaktuell

    Und da kommt bei der Beurteilung des Spiegel-Artikels eben auch noch hinzu: Nicht nur, dass der Spiegel-Autor gegen Springer schreiben musste, er konnte auch auf fast keine Comic-Sekundärliteratur zur Recherche zurückgreifen, da es sie schlicht zu der Zeit noch kaum gab (und noch weniger Gute und auch kaum ausserhalb der Fan-Scene, die freilich 1972 auch erst in der Entstehung begriffen war...).

    Das stimmt. Und wer auch immer den Artikel schrieb, hat ihn außerdem mit großer Sicherheit aus der Perspektive dessen geschrieben, der Comics sowieso für peinlichen Kulturmüll hält.

    @ zaktuell
    PS: Aber natürlich darf und muss man auch heute noch mit bestimmten Klischees arbeiten: Kann sich jemand Baba in ASTERIX vorstellen mit schmalen Lippen, dünner Nase und ein 'r' aussprechen könnend? Wollen wir tatsächlich in Lucky Luke einen fleissigen Schwarzen sehen, der sich kaum bremsen lässt, seinem 'Massa' im Eiltempo zu dienen?

    Nun, zum einen ist nicht jedes Klischee, mit dem man spielt, ein rassistisches Ressentiment. Allerdings muss man, wenn man als Humorist mit Klischeebildern operiert, schon verdammt talentiert sein, damit es nicht plump oder peinlich wirkt. Und Goscinny, ein humoristischer Gigant, hatte eben das Potential, z.B. bei Asterix permanent alle nur denkbaren Klischee zu verwenden und "trotzdem" nicht plump zu wirken.

    Anders gesagt: Goscinnys überragende humoristische Begabung musste sich nicht auf die Klischees verlassen, sondern konnte mit ihnen spielen und einzigartige Gags auf ihnen aufbauen. Außerdem hatte es Goscinny nicht nötig, sich nur von Klischees inspirieren zu lassen. Die Masse ganz realer Themen und Problematiken, die er in seinen Szenarien parodiert hat, ist ja unüberschaubar ("Trabantenstadt" und etc.).

    Minderbegabte Humoristen müssen allerdings schon aufpassen, wann und wie sie Klischeebilder verwenden. Wer auf Klischees zurückgreift, weil ihm nix besseres einfällt (was bei Goscinny nie der Fall war), sollte wohl den Beruf wechseln.

    Gruß
    Jürgen

  11. #61
    Moderator Splitter Forum
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    wobei ich gerne nocheinmal darauf hinweisen würde,
    das charlier und giraud ja auch erst in ihre rollen
    als artisten hineinwachsen mussten.

    ich würde gerne darauf wetten, das giraud erst in rückwirkender
    beurteilung seiner arbeiten die defizite (wenn man bei einem solchen
    ausnahmekünstler überhaupt davon sprechen kann) erkannte
    und über seine steigende ausdruckskraft auch die difizilität der
    charakteren ständig zunimmt. nachdem er die serie alleine
    fortführte hatte er natürlich nocheinmal möglichkeiten, die er
    umgehend nutzte.

    wie oft habe ich - bei meinen arbeiten - das problem, das innere
    zum äusseren zu machen. so fein, wie das von aussen manchmal
    empfunden wird, so fein ist das leider nur sehr schwer umzusetzen.

    so ist "für mich" blueberry eine paradeserie, die sich - trotz
    abenteuerthematisch konzipiert - trotzdem immer um die belange der gerechtigkeit
    und rassenthematik dreht.

    horst
    Geändert von horst (08.10.2001 um 00:14 Uhr)

  12. #62
    ist irgendwie doch wieder zaktuell Avatar von ZAQ
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    Re: Ideologie der Comics

    Original geschrieben von Jürgen Veile
    (...)Nun, zum einen waren, als der SPIEGEL-Artikel erschien, die ältesten Blueberry-Geschichten ja gerade neun Jahre alt. (...)
    9 Jahre mögen nicht viel sein. Und doch sind es Welten. Also mal Fakt:
    Die ersten fünf BLUEBERRY-Alben entstanden 1963 bis 1966. Die in ihnen wiederzufindenden Western-Klischees entsprechen in etwa denen in Western-Filmen wie zB 'Broken Arrow' (mit Jeff Chandler als Cochise - seht Euch mal den Cochise der ersten Blueberry-Bände an!). Von 1950!!!

    Über den 1954 gedrehten Robert Aldrich-Film 'Apache' weiss Thomas Jeier in seinem Buch 'Der Western-Film' zu berichten: "Der Film idealisiert den Indianer nicht wie viele seiner Vorgänger..." (!!!). So gesehen hängt Blueberry inhaltlich hier bereits 10 Jahre hinter den Western-Klisches im Kino zurück.

    Als diese Geschichten 1972 in ZACK abgedruckt wurden, hatte der Kino-Western bereits seine Italo-Western-Phase soweit hinter sich gebracht (Für eine Handvoll Dollar ist von 1964!), dass selbst deren Selbst-Parodie mit den ersten Bud Spencer/Terence Hill-Klamauk-Western schon überstanden war. Zu dieser Zeit war Blueberry im Original aber bereits beim zweiten Band der Endlos-Geschichte um das Südstaatengold angelangt (man stelle sich einmal vor, der Koralle-Verlag hätte 'seinen' Blueberry mit diesem Zyklus oder zumindest mit dem Zweiteiler um Prosit Luckner gestartet!).

    Die von Dir, Jürgen, ausgemachten Inhalte der Alben ab 'Gebrochene Nase' (1979) finden ihre filmische Entsprechung vielleicht am ehesten in Costners 'Der mit dem Wolf tanzt' (1990), doch gab es mit 'Little Big Man' oder 'Ein Mann, den sie Pferd nannten' (beide 1970) bereits sehr viel früher nicht eben missglückte Versuche, das Indianerbild authentisch und wirklichkeitsgetreu zu gestalten (denn das Klischee vom 'edlen Wilden' war ja lediglich eine Art 'Wiedergutmachungs-Umkehr-Klischee, welches genauso falsch war, wie das vorrangegangene Klischee der 'bösen Rothaut').

    Unterm Strich bleibt -denk ich- festzuhalten: BLUEBERRY ist und bleibt ein Klasse-Western-Comic. Aber gemessen an den Film-Western war er frühestens in den 80ern auf der Höhe der Zeit. (Dafür liessen sich durchaus Argumente anführen, dass der neuste Zyklus um Mister Blueberry dem Film-Western bereits vorraus ist ;-)

    Davon unabhängig bleibt er aber ein denkbar schlechtes Argument des Spiegel gegen Springer...

    Gruss!,oliver

  13. #63
    ist irgendwie doch wieder zaktuell Avatar von ZAQ
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    Re: Ideologie der Comics

    Aber da war ja noch mehr:

    Original geschrieben von Jürgen Veile
    Letzten Ende geht es doch um zwei Dinge, die zunächst nichts miteinander zu tun haben:

    1) Man beurteilt das Klischee oder das Ressentiment aus moralischer/ethischer Sicht und kommt zu dem Ergebnis, dass es eben zweifelhaft ist.

    2) Man sieht sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an und untersucht, wie das Klischee/das Ressentiment entstehen konnte.

    Es geht also zum einen um eine moralische Kategorisierung und zum anderen um eine soziokulturelle Untersuchung. Das sind zwei verschiedene Dinge.
    Die aber eben doch mehr miteinander zu tun haben, als Du hier suggerierst: Moral ist doch immer abhängig vom Wissens- und Informationsstand der Zeit, in der sie vertreten wird. So war es für Aristoteles -in einer Gesellschaft, in der Sklaverei praktiziert wurde- ein leichtes moralische Prinzipen a la 'Alle-Menschen-sind-gleich' ohne logische Widersprüche zu formulieren, da Sklaven nach damaliger Auffassung (zugegeben, für aufgeklärte Menschen von heute kaum vorstellbar) eben keine Menschen waren, sondern auf einer Stufe mit Vieh und anderen Besitztümern standen.
    Dies auf Klischees übertragen sollte wohl Deine Frage:
    Original geschrieben von Jürgen Veile
    Warum durfte man die Klischees DAMALS unterstützen? Waren sie damals weniger falsch und gefährlich als heute?
    beantworten...
    Original geschrieben von Jürgen Veile
    Zum anderen gab es damals ja nicht so etwas wie eine AKTUELLE Weltsicht. Es waren, wie bereits erwähnt, schwerste ideologische Kämpfe im Gang, die sogar auf der Ebene des reinen Terrors ausgetragen wurden.
    Natürlich gab es eine AKTUELLE Weltsicht. Die gibt es immer. Es gibt einen Stand des Wissens und der Information, der besagt, wie die Welt ist. Diese Weltsicht ändert sich natürlich in dem Masse, wie sich der Wissens- und Informationsstand ändert. Dass aus dieser jeweils zeitlich differierenden Weltsicht damals wie heute unterschiedliche Schlüsse gezogen werden, welche zu unterschiedlichen Ansichten führen, ist wieder eine andere Sache.

    Original geschrieben von Jürgen Veile
    Nun, zum einen ist nicht jedes Klischee, mit dem man spielt, ein rassistisches Ressentiment.
    Wieder ein entscheidender Punkt: man 'spielt' mit Klischees. Es ist also nicht die Verwendung an sich, die ein Klischee moralisch fragwürdig macht, sondern die Art, wie man damit umgeht. (Das Goscinny genial war, ist eh klar. Fast ist man versucht zu sagen, 'er hatte eben eine Art Humor, wie nur Juden ihn haben können', aber damit würde man schon wieder ein Klischee transportieren und dass ein 'positives' Klischee ebenso fragwürdig ist wie ein negatives, hatten wir ja wohl bereits festgestellt.)
    Nichtsdestoweniger halte ich Klischees -wie jede andere Art der Verallgemeinerung- in gewissem Masse für notwendig. Um sich in der Welt zurechtzufinden und zusammenzuleben braucht es Kategorien, Schubladen, allgemeingültige Übereinkünfte, etc. Ich kann nicht jedesmal mein abstraktes Bild von 'Stuhl' auf seine Gültigkeit in Bezug auf das konkret in der Situation vorhandene Objekt überprüfen, bevor ich mich setze. Und wenn man -um wieder zu Comics zurückzukehren- Geschichten erzählen will, kann man eben auch nicht immer erstmal eine komplette Welt neu und differenziert entwerfen, sondern muss auf Bekanntes zurückgreifen, muss Vorwissen des Rezipienten vorraussetzen können, und muss dabei eben auch mit Klischees arbeiten, die ja im Grunde nichts weiter sind als eben Vereinfachungen. Und wenn bei diesen Vereinfachungen in Blueberry die Mexikaner eben mal schlecht wegkommen, weil eben die zu erzählende Geschichte keinen Raum lässt, nun wirklich jede Nebenfigur und seine Nationalität, Religion, Weltanschauung und sexuelle Vorlieben differenziert auszuleuchten oder eine detailgetreue Darstellung der Rennwagen für die Geschichte wichtiger ist, als eine detailgetreue Kulturgeschichte der 'verfluchten Mongolen', dann -denk ich- sollte man auch aus heutiger Sicht sein Augenmerk auf eine gut erzählte, unterhaltsame, spannende Geschichte legen und nicht so sehr auf die 'political Correctness'.

    Und man kann das trennen: Ich mag Hermanns Comics. Trotz seiner sich darin wiederspiegelnder Weltanschauung, die ich für fatalistisch halte...

    Aber äh... mal ne ganz andere Frage, eh' das hier in weitere Richtungen ausufert: Wie war nochmal das ursprüngliche Thema dieses Threads? Und wär es nicht vielleicht sinnvoll, wenn ein Moderator des Forums es mal ordnend splittet!?

    Gruss!,oliver

  14. #64
    Mitglied Avatar von BobCramer
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    Blueberry und etc.

    Original geschrieben von horst
    ich würde gerne darauf wetten, das giraud erst in rückwirkender
    beurteilung seiner arbeiten die defizite (wenn man bei einem solchen
    ausnahmekünstler überhaupt davon sprechen kann) erkannte
    und über seine steigende ausdruckskraft auch die difizilität der
    charakteren ständig zunimmt. nachdem er die serie alleine
    fortführte hatte er natürlich nocheinmal möglichkeiten, die er
    umgehend nutzte.
    horst
    Girauds einzigartiges Talent hat sich ja erst in den späten 60ern voll entfaltet. Als er seine ersten Blueberry-Bände im guten alten Jijé-Stil produzierte, konnte wohl keiner, und auch Giraud selbst nicht, ahnen, zu welchen Höhen er sich dereinst aufschwingen würde. Wie auch bei Hermann ging die Entwicklung dann aber rasend schnell, man kann ja teilweise innerhalb der einzelnen Alben sehen, wie sich der Stil von der ersten bis zur letzten Seite zunehmend perfektioniert.

    Ich würde bei Girauds ersten Alben auch nicht unbedingt von "Defiziten" sprechen - er hatte einfach sein Potential noch nicht ausgeschöpft. Auch die größten Künstler brauchen dazu nun mal ihre Zeit. Deshalb sind die Kritikpunkte, die man bei den ersten "Blueberrys" anbringen kann, auch nicht weiter tragisch.

    Im übrigen hat sich ja auch Charlier mit und durch "Blueberry" ganz erstaunlich weiterentwickelt. Während er ansonsten jahrzehntelang auf einem zwar hohen, aber nicht genialen
    Niveau seine anderen Abenteuerserien gestaltete, gelang ihm mit "Blueberry" als Szenarist ein Geniestreich. Ich denke, weder Giraud noch Charlier haben in den ersten Jahren das Potential der Figur Blueberry erkannt und waren dann wahrscheinlich selbst von den Möglichkeiten überrascht, die sich ihnen auftaten. Mit Danny, Tangy oder dem Roten Korsaren wäre eine solche Charakterentwicklung nicht möglich gewesen.

    Seit Giraud die Serie allein gestaltet, ist sie meines Erachtens nicht besser geworden. Natürlich sind auch die Mister-Blueberry-Alben lesbar, aber ich hätte (anders als bei den Charlier-Alben) einige Kritikpunkte anzubringen. Würde jetzt aber zu weit führen.

    Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass Giraud als Künstler über seinen Zenit hinaus ist. Habe mal einen Blick in das neue Difool-Album geworfen, das sah für mich nicht besonders eindrucksvoll aus. Und der alte Blueberry gefällt mir weitaus besser als der aktuelle.

    Gruß
    Jürgen

  15. #65
    Moderator Splitter Forum
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    Wink

    wir sind halt schon vielzuviele jahre von der
    hohen qualität verwöhnt. als das wir noch mit einem "aha" empfinden.

    das beste difool - und blueberry album liegt auch für mich schon
    ein paar jahre zurück. ... aber wir waren beim zack thema ... ... ...


    ... wir sind uns einig!

    horst

  16. #66
    Mitglied Avatar von Ziehstripp
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    Mal 'ne Frage....

    ...besteht die Chance, das "Das war Zack" eventuell neu aufgelegt wird? Es scheint da doch ein gewisses Interesse zu bestehen. Gerade als Nachschlagewerk, in einer überarbeiteten Version, wäre ist klasse, immer die Zack Hefte rausholen ist auch blöde......

  17. #67
    Mitglied Avatar von BobCramer
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    Original geschrieben von horst
    ... wir sind uns einig!

    horst
    Absolut.

    Gruß
    Jürgen

  18. #68
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Post Blueberry - Eisenbahnbau - Indianerkriege

    Schön, dass hier immer noch so heftig diskutiert wird. Dann kann ich ja auch wieder mitmachen. Da ich oben bereits aus der Abhandlung über Blueberry von Markus Tschernegg zitiert habe, greife ich dies hier mal auf:

    Markus Tschernegg, Blueberry - Ein Western kommt in die Jahre (Comic Forum Nr. 62, S. 9 ff (22, 23)

    "Der Bau der Eisenbahn - Indianerkriege - Zyklus 3

    Dieser große klassische Zyklus beginnt 1968 irgendwo mitten beim Bau der transkontinentalen Eisenbahn, die von Osten beginnend über Nebraska, über Wyoming nach Utah führen und vom Westen her über Kalifornien und Nevada nach Utah vorstoßen sollte. Für den Ostteil war die Union Pacific Gesellschaft zuständig, während die Weststrecke von der Central Pacific gebaut wurde. 1862 wurde mit den Planungen zum Bau dieser verbindenden Eisenbahn begonnen, erst nach dem Bürgerkrieg (1866) konnte mit dem Bau begonnen werden. Jede Eisenbahngesellschaft sollte ihrem Baufortschritt entsprechend Land am Schienenstrang zugesprochen bekommen, daher kam es bald zu einem erbitterten Kampf zwischen den beiden Gesellschaften. Sie behinderten sich gegenseitig bei der Arbeit, indem sie auch nicht davor zurückschreckten, die Indianer aufzuhetzen.

    Unter diesen düsteren Vorzeichen beginnt die Episode "Das eiserne Pferd" und wir finden Blueberry und Jimmy McClure, zu denen sich bald Red Neck als ständiger Begleiter hinzugesellen sollte, mitten beim Bau der Eisenbahn. Blueberrys Gegenspieler über drei Alben, Jethro Steelfingers, wurde von der Central Pacific gekauft, um den Buafortschritt der Union Pacific aufzuhalten. General Dodge, ein alter bekannter aus den Jugendabenteuern, heuert Blueberry an, damit er für Ordnung sorge. Blueberry muß, oder darf also schon wieder einmal mit den Indianern verhandeln und er schafft das schier Unmögliche: Die Indianer sind zu einem Frieden bereit. Aber wie so oft in der Geschichte brechen die Weißen diesen Frieden wieder. General Allister, ein verkappter General Custer, plant einen Feldzug gegen die Sioux, denn "nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer".

    Mit Guffie Palmer tritt erstmals eine Frau in Blueberrys Leben, die für ihn sowohl Freundin als auch Mutter sein könnte. In diesem Geschichtszyklus wird Guffie Palmer noch sehr karikaturhaft, ja Uderzo-like, überzeichnet.

    Die persönliche Geschichte von Blueberry wird zur kollektiven Geschichte eines Landes, das sich durch Kampf und Unterdrückung zur Weltmacht gemausert hat. Blueberry wird immer stärker in die Rolle des entehrten, aufmüpfigen Soldaten gedrängt, der nicht mitansehen kann, wie die Indianer einfach abgeschlachtet werden sollen. Er wird sogar ins Gefängnis gesteckt, weil er einen Indianerkrieg verhindern wollte. Seine private Motivation nichts mehr mit einem Soldaten gemein, der als bloßer Befehlsempfänger ohne Hirn handelt. Doch gerade das bringt ihn vor größte Probleme. Und in Allister begegnet er seinem erbittersten Feind, der ihm noch lange Jahre zu schaffen machen sollte.

    Girauds Stil hat sich weiterentwickelt, er verwendet zusätzlich zum Pinsel die Feder und erreicht mit seinen Schraffuren dadurch eine bessere Tiefenwirkung der Bilder. Faszinierend auch das sanfte Spiel mit den Farben im Album "General Gelbhaar", wo blau (Uniformen) und weiß (Schnee) in spielerischer Form Verwendung finden.

    Alle vier Alben dieses Zyklus spielen im Norden, in Utah, Colorado, dort, wo die Sioux und Arapahos leben. während sich der erste Zyklus im Süden (Arizona, New Mexico, Texas) bei den Apachen abspielte. Hier hat Charlier als Texter also auch darauf geachtet, daß er möglichst viele unterschiedliche Aspekte eines Themas aufgreifen konnte. Denn in den folgenden Alben sollten die Indianer nur mehr sporadisch auftreten und bis zum Album "Gebrochene Nase" ganz aus den Blueberry-Alben verschwunden sein."

    Und hier noch ein "Schmankerl" am Rande:

    Markus Tschernegg, Gefangen in der Moebiusschleife (a. a. O.)

    "Jean Giraud hatte schon 1963 für seine eher satirischen Arbeiten das Pseudonym Moebius gewählt. Die Moebius-Schleife, die eine verschlungene Acht darstellt udn die Unendlichkeit symbolisiert, hat auch den Künstler Jean Giraud zu schaffen gemacht. Schon im ersten Zyklus verwechselt er links mit rechts, wenn Blueberry einmal auf dieser, kurz darauf aber schon auf der anderen Seite der Felswand steht. Dieser Irrtum passiert ihm auch mit der eisernen Hand von Steelfingers aus dem Eisenbahnzyklus. Steelfinger hat die ganze Zeit über seine rechte Hand unter einem Handschuh verborgen, weil sie aus Eisen ist. Doch Sitting Bull trägt nach dem Tode von Steelfinger plötzlich seine linke Hand um den Hals.
    Auch ein Indianerangriff in "General Gelbhaar" findet zuerst mit der rechten Hand statt, dann, wahrscheinlich weil der Indianer sich vor Blueberry gefürchtet hat, verwandelt sich der Angreifer in einen Linkshänder."

    __________________Ende des Zitats___________________


    M. E. sind die wesentlichen Charaktereigenschaften von Blueberry bereits im ersten Zyklus vorhanden. Was sich bei Blueberry sehr deutlich sichtbar ändert, ist sein Aussehen. Solch drastische Änderungen der zeichnerischen Darstellung von Comic-Figuren ist eher seltener (nicht nur Danny, Tangy. der rote Korsar, auch Michel Vaillant, Rick Master, Luc Orient, Dan Cooper etc.). Mit diesen äußerlichen Veränderungen wirkt die Serie "Blueberry" insgesamt realistischer als z. B. die oben genannten (ich muss doch irgendwann einmal nachsehen, ob sich die Frisur von Rick Master mehr oder weniger als einmal in all den Jahrzehnten verändert hat ;-)

    Ciao
    Martin
    Geändert von Martin 37 (08.10.2001 um 13:34 Uhr)

  19. #69
    ist irgendwie doch wieder zaktuell Avatar von ZAQ
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    mehr als einmal. in den 70ern war sie fast schon hippie-mäßig lang. da ging er also mal mit der mode. in bezug auf seine klamotten blieb er dagegen durchgängig seinem stil treu

    Gruss!,oliver

  20. #70
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Talking Rick Master

    ... tja, wenn man seinen ganzen Schrank voll hat mit dem gleichen Sakko bzw. Trenchcoat, da muss man halt jahrzehntelang die alten Klamotten auftragen (nachzusehen in zaktuell Nr. 26 im ZACK-entDecker)
    Geändert von Martin 37 (08.10.2001 um 13:30 Uhr)

  21. #71
    ist irgendwie doch wieder zaktuell Avatar von ZAQ
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    Wem sagst Du das? Und in ZAKTUELL #33 auch

    Gruss!,oliver

  22. #72
    Mitglied Avatar von BobCramer
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    Re: Blueberry - Eisenbahnbau - Indianerkriege

    Original geschrieben von Martin 37
    [BM. E. sind die wesentlichen Charaktereigenschaften von Blueberry bereits im ersten Zyklus vorhanden. [/B]
    Das ist auf jeden Fall richtig. Wahrscheinlich ist das aber auch erst in der comichistorischen Rückschau so deutlich erkennbar. Ich vermute, dass die Figur von Charlier als Sidekick von Graig angelegt wurde, der als eine der typischen Charlier'schen Heldenfiguren konzipiert war. Es ist ja auch bekannt, dass die Serie zunächst nicht "Blueberry", sondern "Fort Navajo" hieß.

    Charlier/Giraud scheinen aber wohl ziemlich schnell erkannt zu haben, dass Blueberry die eigentliche Hauptfigur ist. Das Potential der Figur hat sich dann aber erst im Lauf der Jahre wirklich entfaltet.

    Gruß
    Jürgen

  23. #73
    Mitglied Avatar von BobCramer
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    Re: Rick Master

    Original geschrieben von Martin 37
    ... tja, wenn man seinen ganzen Schrank voll hat mit dem gleichen Sacko bzw. Trenchcoat, da muss man halt jahrzehntelang die alten Klamotten auftragen (nachzusehen in zaktuell Nr. 26 im ZACK-entDecker)
    Nicht zu vergessen Kommissar Bourdon, der auch schon seit vier Jahrzehnten denselben braunen Großkaro-Mantel trägt. Möchte nicht wissen, wie das Ding mittlerweile riecht!

    Gruß
    Jürgen

  24. #74
    Mitglied Avatar von BobCramer
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    Talking Moral der Comics

    @ zaktuell:
    Moral ist doch immer abhängig vom Wissens- und Informationsstand der Zeit, in der sie vertreten wird. So war es für Aristoteles -in einer Gesellschaft, in der Sklaverei praktiziert wurde- ein leichtes moralische Prinzipen a la 'Alle-Menschen-sind-gleich' ohne logische Widersprüche zu formulieren, da Sklaven nach damaliger Auffassung (zugegeben, für aufgeklärte Menschen von heute kaum vorstellbar) eben keine Menschen waren, sondern auf einer Stufe mit Vieh und anderen Besitztümern standen.

    Klar, eine absolute und letztgültige Moral gibt es nicht und wird es nie geben. Ich wehre mich trotzdem dagegen, dass rassische Ressentiments oder Klischees nur aus heutiger Sicht kritisierbar sein sollen - während sie vor drei oder vier Jahrzehnten sozusagen tolerabel waren. Auch in den 60er Jahren gab es bereits bei vielen Leuten durchaus ein politisches Bewußtsein für derlei Dinge - das allerdings, das ist richtig, nicht der vorherrschenden Weltsicht der breiten Massen entsprach. Die Leute, die damals ein entsprechendes Bewußtsein hatten, durften trotzdem bereits zu dieser Zeit solche Ressentiments kritisieren. Und sie hatten damals genau so recht wie wir heute recht haben. Sie waren sogar, was für sie spricht, ihrer Zeit voraus.

    @zaktuell
    Wieder ein entscheidender Punkt: man 'spielt' mit Klischees. Es ist also nicht die Verwendung an sich, die ein Klischee moralisch fragwürdig macht, sondern die Art, wie man damit umgeht.

    Absolut. Und um mit Klischees spielen zu können, braucht man eben Talent. Wer zu wenig davon hat, ist gezwungen, sich auf die Klischees zu verlassen.

    @zaktuell
    Nichtsdestoweniger halte ich Klischees -wie jede andere Art der Verallgemeinerung- in gewissem Masse für notwendig. Um sich in der Welt zurechtzufinden und zusammenzuleben braucht es Kategorien, Schubladen, allgemeingültige Übereinkünfte, etc.

    Nun, das ist ein heikles Thema. Sicherlich kann sich niemand (ich natürlich auch nicht) ständig so detailliert mit jedem Thema auseinandersetzen, dass er keine Klischees in seinem Kopf hat. Das ist wohl schlicht nicht möglich. Trotzdem sollte jeder erwachsene Mensch die Ambition entwickeln, ein einigermaßen differenziertes Weltbild zu haben, das sich eben nicht auf Klischees verlässt. Gerade z.B. wenn Menschen nicht mehr nach ihrem Charakter beurteilt werden, sondern nach Rasse, Nationalität, Haarfarbe, Dialekt, Aussehen etc. - weil dieselben einem Klischee entsprechen -, wird es äußerst heikel.

    @zaktuell
    Und wenn bei diesen Vereinfachungen in Blueberry die Mexikaner eben mal schlecht wegkommen, weil eben die zu erzählende Geschichte keinen Raum lässt, nun wirklich jede Nebenfigur und seine Nationalität, Religion, Weltanschauung und sexuelle Vorlieben differenziert auszuleuchten oder eine detailgetreue Darstellung der Rennwagen für die Geschichte wichtiger ist, als eine detailgetreue Kulturgeschichte der 'verfluchten Mongolen', dann -denk ich- sollte man auch aus heutiger Sicht sein Augenmerk auf eine gut erzählte, unterhaltsame, spannende Geschichte legen und nicht so sehr auf die 'political Correctness'.

    Ich erlaube mir einfach, beides zu tun. Muss sich ja auch nicht ausschließen. Letzten Endes sage ich: Ein guter, aber ideologisch vielleicht fragwürdiger Comic ist mir lieber als ein schlechter, der politisch korrekt ist.

    @zaktuell
    Und man kann das trennen: Ich mag Hermanns Comics. Trotz seiner sich darin wiederspiegelnder Weltanschauung, die ich für fatalistisch halte...

    Nun, mir z.B. gefielen Hermanns Comics besser, als er mit Greg noch einen wirklich guten Szenaristen hatte. Im übrigen unterscheide ich bei Hermann auch zwischen der Qualität seiner Zeichnungen (meist erstklassig) und der Qualität seiner Szenarios (meist zweit- oder drittklassig).

    Gruß
    Jürgen

  25. #75
    ist irgendwie doch wieder zaktuell Avatar von ZAQ
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    Die Gegenüberstellung meiner Zitate zu Deinen Anmerkungen erweckt den Eindruck, als ständen unsere Ansichten gegeneinander. Ich werde aber den Verdacht nicht los, als ob wir inhaltlich doch ziemlich auf einer Linie sind:

    Natürlich ist, was aus heutiger Perspektive falsch ist, auch früher schon falsch gewesen. Es fehlte eben nur an der Möglichkeit diesen Irrtum zu erkennen. Das gilt für die Ansicht, die Welt wäre eine Scheibe genauso, wie für moralische Ansichten.

    Und genauso natürlich sind die Greg-Stories besser gewesen als die Hermann-Plots.
    Warum fällt mir grade jetzt die COMANCHE-Storie um Russ Dobbs ein ?

    Gruss!,oliver

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