Chicago – Februar 1936

Detective Michael Conway vom Chicago Police Department trat mit voller Wucht gegen den am Boden liegenden McGurn, der besser unter seinem Namen Jack Machine Gun bekannt war. Dieser lag blutverschmiert in einer dreckigen Ecke einer kleinen Sackgasse und rührte sich nicht mehr. Ein eisiger Wind blies durch die Häuserschlucht am späten Abend des 23. Februar 1936. Der Boden war vom Schneematsch bedeckt, der schwarz vom Dreck, gelb von der Pisse und braun von der Scheiße war. Mittendrin lag der Kadaver von Jack McGurn, der Vollstrecker des Chicagoer Outfits. „Hey Boss, passen Sie auf, dass er nicht doch noch lebt. Schießen Sie ihm lieber noch mal in den Kopf. Sicher ist sicher.“ Anstatt seine Knarre aus dem Halfter zu nehmen, trat Conway noch mal heftiger zu. „Eine weitere Kugel ist für den zu schade. Lieber trete ich ihm die Rübe ein, als die Leute mit dem Knall noch mal aufzuschrecken.“ Die Sorge seines Kollegen Charles Walsh war unbegründet. McGurn hatte so viele Einschusslöcher wie eine Machine Gun Kugeln hatte. „Hey Charly, schau mal nach Spuren in diesem Schneedreck. Vielleicht erwischen wir den Schützen. Und wenn ja, dann verleihen wir dem einen Orden.“

Walsh ging die Gasse ab und suchte Fußspuren oder sonstige Indizien. „Hier stinkt es nach Pisse. Alle Penner und Hunde scheinen in diese Gasse zu kommen, um sich zu entleeren.“ Walsh stieß vor Abscheu eine Mülltonne um, die scheppernd zu Boden fiel.“ - „“Geht´s dir noch gut, Charly oder brauchst du mal wieder ne Abreibung von mir.“ Conway war mehr als genervt, weil er bei diesem eisigen Wetter einen Mordfall untersuchen sollte, der eigentlich ein Glücksfall für ganz Chicago war. Der Vollstrecker der Chicagoer Mafia war um die Ecke gebracht worden. Es war ein Freudenfest für Conway und für all seine Kollegen. Wenn sich jetzt alle Spagetti-Fresser und Konsorten selber umbrachten, nahmen sie schließlich dem CPD die Arbeit ab. Conway würde am liebsten applaudieren, anstatt zu ermitteln. „So eine verfluchte Scheiße. Walsh! Bist du endlich soweit. Das kann doch nicht ewig dauern, hier im Dreck zu wühlen.“ - „Hier gibt es zu viele Spuren, Boss. Jeder dreckige Penner kommt hier zum Kacken in die Gasse. Da kannste Fußspuren vergessen. Selbst eine Lady muss hier gewesen sein.“

Conway wollte schon die Suchaktion abbrechen, als er einen kleinen Lichtschein an einer Hintertür in der hintersten Ecke der Gasse entdeckte. „Was ist denn das dort, Walsh? Siehst du da auch Licht unter der Tür durchscheinen? Wo geht es da hin? Lass uns da mal vorsichtig anklopfen. Hast du einen Orden dabei, wenn wir den Killer da finden sollten?“ Conway und Walsh näherten sich der Hintertür. Stimmen waren zu hören. Hatten sie eine Mafia-Höhle ausfindig gemacht? Und wenn ja, wer war so blöd, in der Nähe des eigenen Ladens den Vollstrecker abzumurksen. Die beiden zückten schon mal ihre Waffen. Während Conway gegen die Tür hämmerte, gab Walsh im Feuerschutz, immer bereit auf alles und jeden zu feuern, der auch nur schräg zu gucken wagte. „Hey, was soll das! Seid ihr bescheuert! Gebt da draußen endlich Ruhe!“ Die Tür wurde aufgerissen und ein Kellner stand vor ihnen. Als er die Knarren sah, erstarrte er. „Was denn hier los? Habt ihr euch verlaufen? Ich dachte der Boss hätte euch diese Woche schon geschmiert. Ihr wollt doch nicht noch mehr absahnen?“ - „Schnauze! Mit euren krummen Geschäften haben wir nichts am Hut. Da draußen verwest schon bald eine Leiche und ihr feiert fröhlich vor euch hin.“ Den Kellner schien das nicht weiter zu beeindrucken. Als ob es das Natürlichste der Welt sei, wenn ein Toter am Hintereingang rumliegt. „Hast du hier jemand rein oder rausgehen sehen?“ Jetzt erst wurde der Kellner ein wenig nervös. „Bin ich hier der Portier? Ich hab was anderes zu tun, als die Tür zu bewachen. Hier gehen andauernd Leute rein und raus.“ - „Was sind das denn für Leute,“ fragte Walsh. „Frischluftfanatiker.“ Das war zuviel für Conway. Er packte den Kellner am Kragen und stieß ihn mit voller Wucht gegen die offene Tür. „Hör mal Freundchen. Du hörst jetzt mit den saublöden Antworten auf oder du liegst bald neben der verwesenden Leiche da draußen. Du hast die Wahl. Vorher kotze ich dir in den Schlund, weil mir von deinen Sprüchen so richtig schlecht geworden ist. Also raus mit der Sprache. Wer bist du?“ - Der Kellner wurde ernst. „Paul Ricca. Hier gehen die Leute immer mal wieder raus, um ihr Geschäft zu machen. Das Klo hier im Club kannste nicht nutzen. Da musste wirklich abkotzen. Manche machen auch draußen einen Deal oder schieben eine kurze Nummer mit ner Nutte.“ „Hast du also in der letzten Stunde nichts gehört oder gesehen, was wie ein Feiergefecht klang?“ „Nein, Chief. Hier drin geht die Post ab. Wir haben heute Abend eine Jazz-Band im Laden, die so richtig die Stimmung einheizt. Da wird halt auf den Tischen getanzt und der Whiskey und das Bier fließen in Strömen.“

Conway kannte diese Amüsierlokale, die nach Ende der Prohibition wie Pilze aus den Boden geschossen waren, nur zu gut. In diesen Lasterhöhlen gab es alles, was das Herz eines Mannes begehrte: Drogen, ******, Glücksspiele, Jazz und Alkohol ohne Grenzen. Wer hier um acht Uhr noch nüchtern war, war ein Spitzel oder der Boss. Apropos Boss. „Ricca! Bring uns zu deinem Boss.“ Zu dritt machten sie sich auf den Weg zu Frank Nitti, der seit dem Anschlag auf ihn im Dezember 1932 schwer bewacht wurde.

Fortsetzung folgt

Martin
11.11.2023