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Thema: Juristerei: Beruf oder Berufung

  1. #26
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Heute geht es endlich hier mal weiter. Das ist das Problem, wenn man neben seiner Arbeit auch hier noch soviel am Köcheln halten möchte.




    Zur Zeit macht mir halt die FanFiction zu Asterix "Troubadix und das Orakel von Delphi" so viel Spaß. Zudem überlege ich mir parallel dazu ein echte hardboilded Dtetctive Story mit frei erfundenen Charakteren.




    Doch zurück zum Aufbau des Studiums (zu meiner Zeit vor 40 Jahren):

    Jura wird in drei große Gebiete unterteilt:

    Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht.

    Es gibt "kleine" und "große" Scheine in allen Rechtsgebieten, wobei diese selbstverständlich nix mit dem Format zutun haben, sondern mit der Schwierigkeit der Prüfungen.

    Hier mal paar Anfänger-Fälle zum Warmwerden:

    I. Zivilrecht:

    A leiht B ein Buch. B verkauft das Buch an C. Im Buch ist keine Namensangabe, die auf A als Eigentümer hinweist.

    Kann A das Buch von C herausverlangen?




    A könnte einen Anspruch auf Herausgabe des Buches aus § 985 BGB gegen C haben.

    Dazu müsste A Eigentümer des Buches sein und C Besitzer.

    C hat die tatsächliche Sachherrschaft über das Buch, sodass er Besitzer des Buches ist.

    A müsste immer noch Eigentümer des Buches sein.

    A war ursprünglich Eigentümer des Buches. Er könnte sein Eigentum durch die Leihe an B verloren haben.

    Bei der Leihe handelt es sich um ein schuldrechtliches Geschäft, bei dem keine Eigentumsübertragung erfolgt (nur der unmittelbare Besitz geht auf B über).

    A ist somit auch nach der Leihe weiterhin Eigentümer des Buches.

    A könnte das Eigentum am Buch durch die Veräußerung des Buches durch B an C verloren haben.

    Auch hier gilt, dass durch den Abschluss des Kaufvertrages als schuldrechtliches Geschäft kein Eigentumsübergang auf C erfolgt ist.

    Hier könnte zur Erfüllung des Kaufvertrages aber eine Eigentumsübertragung nach § 929 Satz 1 BGB erfolgt sein.
    Dazu bedarf es einer Übergabe der Sache und der Einigung, dass das Eigentum an der Sache übergehen soll.

    B hat das Buch C übergeben. B und C waren sich auch einig, dass das Eigentum übergehen sollte.

    B war jedoch nicht Eigentümer des Buches, sodass ihm die Verfügungsbefugnis zur Eigentumsübertragung fehlte.

    C könnte das Eigetum aber gutgläubig nach § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB erlangt haben.

    Ein gutgläubiger Erwerb setzt voraus, dass C im guten Glauben war. C hatte keine positve Kenntnis davon, dass A Eigentümer des Buches war. In dem Buch fehlte zudem ein Hinweis auf die Eigentümerstellung des A, sodass C auch keine grobfahrlässige Unkenntnis von der fehlenden Verfügungsbefugnis des B hatte.

    Ein gutgläubiger Erwerb könnte nach § 935 BGB ausscheiden, wenn das Buch dem A abhanden gekommen ist.

    Das ist dann der Fall, wenn das Buch gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist.

    Hier hat A durch die Leihe bewusst den Besitz am Buch dem B übertragen. Damit ist das Buch dem A nicht abhanden gekommen.

    A hat damit nach §§929 Satz 1, 932 Abs. 1 Satz 1 BGB das Eigentum am Buch an C verloren.

    A ist damit nicht mehr igentümer des Buches. Er hat keinen Herausgabeanspruch gegen C.

    Soweit zu dem absoluten Anfängerfall!

    So müsst ihr euch juristische Überprüfungen vorstellen.



    Nächstes Mal wird es dann Strafrecht und irgendwan mal Öffentliches Recht geben.

    Prüfende Grüße
    Martin

  2. #27
    Mitglied Avatar von Grünling
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    Um es mit 'Asterix' zu verbinden – 'Verleihnix' ist die Figur der Stunde.

  3. #28
    Mitglied Avatar von Martin 37
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  4. #29
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Kommen wir mal zum Strafrecht. Strafrecht ist das, was ein jeder zu kennen glaubt, aber eigentlich nix drüber weiß. Das Strafgesetzbuch ist ein relativ kleines Gesetz mit sehr wenig Paragrafen. Das müsste doch zu schaffen sein, denkt sich so jeder Hobby-Jurist, der schon mal eine Krimi-Serie im Fernsehen gesehen hat.

    Leider nein. Im Strafrecht darf man sich mit zig Theorien auseindersetzen, die später keinen, aber wirklich auch keinen Strafrichter mehr interessieren wird.

    Bilden wir mal wieder einen ausgedachten Fall mit frei erfundenen Personen und Geschehnissen. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen und/oder tasächlichen Geschehnissen ist allenfalls rein zufällig.

    Fallbeispiel:

    Immer wieder Sonntags trafen sich die Comicforum-Hasser, um die neueste Strategie auszuhecken, gegen fröhliche Poster im Forum so richtig Stunk zu machen: als das wären: der verkalkte Lassie, der murrige Ellen, der unspaßige Witzbold und der ImGehirnistderStromausgegangen. Habe ich einen unspaßigen Gesellen vergessen? Denkt den hinzu!

    Martinus hatte da mal was vorbereitet. Er war als Mördergeselle bekannt und plante seinen nächsten Coup. Er hatte in seinem Garten den tödlichen Fingerhut angebaut. Jetzt war Erntezeit. Hä,hä!
    Also flux das Kraut zerkleinert. Er verkleidete sich als Sklave der oben genannten und servierte einen Tee. Natürlich mit Fingerhut versetzt. Aber nur einen, weil er zunächst das ausprobieren wollte. So tat er bei ImGehirnistderStromausgegangen ein wenig Fingerhut hinein. Doch oh Schreck. ImgehirnistderStromausgegangen tauschte seinen Tee mit dem murrigen Ellen. Als dieser den Tee trank wabbelte er diesmal nicht vor lauter Arroganz durchs Forum, sondern tat seinen letzten Atemzug.

    Halten wir also fest: Martinus wollte ImGehirnistderStromausgegangen um die Ecke bringen. Getroffen hat es den murrigen Ellen.

    Der Hobby-Strafrechtlicher kennt natürlich die Lösung:

    Zu prüfen ist der Mord gemäß § 211 StGB an dem murrigen Ellen.

    Nach § 211 Abs. 2 StGB ist Mörder ist, wer
    aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

    Der objektive Tatbestand des Mordes ist erfüllt. Hier liegt Heimtücke vor.

    Fraglich ist aber, ob auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist. Martinus wollte ImGehirnistderStromausgegangen töten. Ihm fehlte der Vorsatz bezüglich der Tötung vom murrigen Ellen.

    Da aber sowohl objektiver als auch subjektiver Tatbestand erfüllt sein müssen, liegt hier kein Mord vor.

    Es könnte eine fahrlässige Tötung vom murrigen Ellen gemäß § 222 StGB vorliegen. Martinus hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem er Gift in Umlauf gebracht hat.

    Ihm fehlte auch der Vorsatz. Und so ist er zu einer Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft zu verurteilen.

    Martinus könnte sich auch des versuchten Mordes an ImGehirnistderStromausgegangen schuldig gemacht haben.

    Martinus hat mit dem Inverkehrbringen des vergifteten Tees einen Versuch gestartet, ImGehirnistderStromausgegangen zu töten.

    Von diesem Versuch ist er aber rechtzeitig vor Eintritt des Erfolges zurückgetreten. Damit ist er insoweit straffrei.

    Ergebnis der Prüfung: Martinus wird zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt (er ist natürlich arbeitslos und bei ihm ist nix zu holen. Seine Comicsammlung hat er zuvor verschenkt.).

    Und das nächste Mal lernen wir, wie man den unspaßigen Witzbold und den verkalkten Lassie um die Ecke bringt, ohne bestraft zu werden.




    Alle, die ein wenig Gerechtigkeitssinn im Leibe haben, werden es gemerkt haben, dass das natürlich voll in die Hose gegangen ist. Prüfungsergebnis werden so ca. 2 bis 3 Punkte (= mangelhaft) sein.

    Im Bereich des Mordes ist der Irrtum in der Person (error in persona) unbedeutend. Es ist egal, wen ich umbringen will (Beispiel Amokschütze, der blind in die Menge feuert). Da kennt die Justiz kein Erbarmen.

    Unspaßige Gesellen muss man halt dan doch anders rankriegen.




    In Freiheit lebende Grüße
    Martinus

  5. #30
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Eigentlich wollte ich ja heute was zum Staats- und Verfassungsrecht schreiben (Aufbau des Staates, Gesetzgebungsverfahren, Grundrechte), aber aus aktuellem Anlass noch einmal Strafrecht:

    Die Beleidigung nach § 185 StGB wird häufig mit der Verwendung von Schimpfwörtern gleichgesetzt. Das ist nur ein sehr kleiner Bereich der Beleidigungen. Letztendlich ist jedes Verhalten, dass andere in der Ehre verletzt, ein Beleidigungstatbestand.

    "Eine Beleidigung ist die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung einer Person. Eine Kundgabe kann auf vielfältige Weise erfolgen, beispielsweise verbal, schriftlich, bildlich, durch Gesten oder mittels einer Tätlichkeit."

    Quelle: wiki

    Zum Glück gibbet im Anwaltsberuf/in der Juristerei einen Rechtfertigungstatbestand, der zur Straffreiheit bei Beleidgungen führt:


    "Ein weiteres Gebiet, in dem § 193 StGB Anwendung findet, sind Äußerungen von Rechtsanwälten im Rahmen der Ausübung eines Mandats. Auch diese sind, soweit es die Wahrnehmung des Anwaltsberufs erfordert, als Wahrnehmung berechtigter Interessen auch dann weitgehend straffrei, wenn sie eine Ehrverletzung darstellen.

    Im Kampf um das Recht müssen durchaus starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte hingenommen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird. An ihn dürfen keine höheren Anforderungen gestellt werden als an andere Rechtsanwälte im Rahmen der Wahrnehmung von Mandanteninteressen."

    wiki: Wahrnehmung berechtigter Interessen

    Also folks, wenn ich mich hier juristisch mit flotten Sprüchen verteidige, dann ist das gerechtfertigt.

    Ciao
    Advocatus Diabolo


    Dritter Kalenderspruch:

    Alle sind gleich, aber zum Glück bin ich gleicher.

  6. #31
    Ex-Exphilosoph Avatar von Jovis
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    Es gibt aber doch bestimmt auch einen Angemessenheitstatbestand? Den USA sagt man ja nach, dass ALLES vor Gericht landen kann. Und es tut. Während hier ja durchaus der gesunde Menschenverstand noch umzusetzen versucht wird. Stichwort Maschendrahtzaun.

    Ich denke jetzt ans Forum, oder auch allgemein das Internet. Wobei bezogen auf das gesamte Internet die Internationalität die Dinge angenehm schwierig macht. Aber hier werden ja täglich Dinge gesagt, und Rückmeldungen gegeben, die jemand auch tatsächlich als Beleidigung auffassen könnte und tut. Die den Gang der Welt aber wiederum nicht maßgeblich beeinflussen. Wenn ich zum Beispiel jemandem zur Antwort auf eine abschätzige Bemerkung antworte: "Ach, was kümmert's den Baum, wenn der Hund ihn anpinkelt." Und wenn ich dann auf Nachfrage ganz konkret antworte: "Ich bin der Baum und du bist ein Hund." dann könnte das durchaus den Straftatbestand der Beleidigung erfüllen, ne? Wie verhindert das Strafrecht, dass wegen so einer blöden Sch**** Gerichte ihre Zeit vergeuden?

  7. #32
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Zitat Zitat von Jovis Beitrag anzeigen
    ...Während hier ja durchaus der gesunde Menschenverstand noch umzusetzen versucht wird ...
    Wir reden hier über Juristerei, also fang jetzt bitte bloß nicht mit dem "gesunden Menschenvestand" an. Das darfst du einem Juristen nicht antun. Ich schreibe hier über Gesetze, Rechtsprechung und Juristen. Also bitte nicht gleichsetzen mit Mensch und dann noch mit Verstand. Klaro.

    "Angemessenheitstatbestand" heißt in deutscher Amtssprache Strafgericht. Letztendlich entscheidet das Gericht, ob es als Beleidigung ausreicht oder nicht.

    Maschendrahtzaun ist die Verballhornung eines Nachbarschaftsstreits, der seinen Ursprung im Nachbarschaftsrecht hat und alltäglich tausendfach in Deutschland vorkommt. In manchen Ländern gibt es dazu Nachbarschaftsgesetze, was an der Grundstücksgrenze gebaut oder/und gepflanzt werden darf. Dann gibbet dazu noch Bebauungspläne, die weiteres festsetzen können.

    Internet wird von vielen als rechtsfreier Raum betrachtet, weil man vermeintlich anonym unterwegs ist. Das ist man beileibe halt nicht. Aber wie sich aus meinem Thread im sehr allgemeinen Teil ergibt, ist es schwierig, Sachen zu ahnden, weil man scho nicht ohne weiteres an Daten kommt.

    Der Spruch mit dem Baum und Schwein bzw. Hund ist eine weit verbreitete Metapher für die Aussage, dass es einen nicht kümmert, was der andere von einem hält, weil diese Meinung einem nicht wichtig ist und/oder die Person kein Gewicht in der öffentlichen Meinung repräsentiert, die sie gerne hätte. Die Aussage, dass einem die Meinung eines anderen nicht interessiert, ist keine Beleidigung nach meinem Verständnis.

    Meine verwendeten Metaphern der "Schmarotzer" und "Blutegel" geht natürlich in die gleiche bildhafte Sprache. Damit kritisiere ich Personen in der Form, dass sie keine eigenständigen, inhaltlichen Posts bringen, sondern es ausnutzen, sich über die Beiträge anderer auszulassen und/oder die betreffenden User. Sie profitierien und profilieren damit von Beiträgen anderer User. Aus dem Tierberecih sind das halt Lebewesen, die einen anderen Wirt brauchen, um existieren zu können.

    Bei Beleidigungen ist es zudem so, dass es natürlich immer einen subjektiven Anstrich hat. Man kann Leute, die man gut kennt, selbstverständlich tiefer treffen, als unbekannte Personen. Jetzt kommen wir aber eher ins psychologische. Was für den einen eine Beledigung ist für den anderen ein Kompliment ("Aye du alter Schweinehund" - was besseres fällt mir spontan nicht ein).

    Beleidigung ist ein Antragsdelikt, wird somit grundsätzlich nicht von Amts wegen verfolgt. Da muss man als Betroffener somit erstmal tätig werden. Dann kann die Staatsanwaltschaft die Sache einstellen (wahrscheinlich bei einfachen Beldeidigungen der Regelfall) und auf die Privatklage verweisen. Spätestens da würde einem doch die Lust vergehen.

    Ein prominenten Fall der Ehrverletzung läuft gerade bei Gericht an, und zwar ein Fall der vermeintlichen Verleumdung von Gil Ofarim, der behauptet hat, als Jude mit seinem Judenstern diskriminiert worden zu sein. Wäre es kein Prominenter, würde das ja auch unter dem Radar laufen.

    Grundsatz:

    Ich bin großer Fan vom Rechtsstaat und den gültigen Regeln. Das wird man mir nicht mehr austreiben können. Im Forum würde mir aber eine Netiquette ausreichen. Ich kenne es z. B. aus dem Schalke-Forum, in dem schnell einer mal eine Ermahnung erhält und dann auch gesperrt wird. Hier gibt es kaum eine Moderation. Deshalb greife ich entgegen meines freundlichen Gemüts vielleicht jetzt öfters zur "Selbstjustiz". Das sind wohl wieder alle anderen die "netten" und ich der unfreundliche. Aber du kennst den Spruch mit Baum und Schwein.

    Ciao
    Martin
    Geändert von Martin 37 (09.11.2023 um 13:22 Uhr)

  8. #33
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    Okay, auf vielfachen Wunsch heute noch mal Strafrecht: Strafrecht hat mich inhaltlich weder im Studium noch im Referendariat besonders interessiert. Während des Studiums hab ich Zivilrecht favorisiert, im Referendariat dann Öffentliches Recht. Dass ich niemals im Bereich Strafrecht tätig werde, war mir schnell bewusst (und zum Glück habe ich die Wahl und bin nicht als Anwalt verpflichtet, jeden "Quark" anzunehmen, damit ich ausreichend Geld verdiene).

    Doch eins muss ich hier mal wirklich lobend erwähnen, was mir voll den Kick gebracht hat:

    Im Referendariat durften wir Referendare nach einer kurzen Einarbeitungszeit von ca. 3 oder 4 Wochen, selbständig die Anklage für die Staatsanwaltschaft vor dem Strafrichter vertreten. Sitzungen gab es für uns meistens so eine pro Woche mit so ca. 8 bis 10 Fällen pro Sitzungstag.

    Vor dieser Strafrechtsstation hat man als Referendar am meisten Respekt. Man wird da komplett allein bei Gericht gelassen und muss über echte Fälle verhandeln, während man noch in der Ausbildung ist. Ich hatte zudem einen obercoolen schon etwas älteren Oberstaatsanwalt als Ausbilder, der mir komplett freie Hand vor Gericht ließ. Andere mussten dann teilweise während der Verhandlung den Ausbilder anrufen, um den um Rat zu bitten. Das kam bei mir nicht vor. Er meinte nur, ich solle mal machen.

    Da gab´s dann z. B. Diebstahl, Unterschlagung, Betäubungsmittelvergehen (= Drogen), Fahren ohne Führerschein etc. (Beleidgungsfall hatte ich übrigens nicht).

    Verhandlung läuft nach meiner Erinnerung so ab (für alle nicht RTL II Gucker):

    1. Personalien vom Angeklagten

    2. Verlesen der Anklageschrift durch den Staatsanwalt (bzw. hier dann als Vertreter des Staatsanwalts durch den Referendar)

    3. Einlassung des Angeklagten zur Anklage (mit Zeugnisverweigerungsrecht)

    4. Beweisaufnahme (ins. Zeugenvernehmung)

    5. Schlussplädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers (mit letztem Wort für den Angeklagten)

    6. Urteilsverkündung mit Begründung

    Das spannende an den Terminswahrnehmungen war, dass man zur Vorbereitung der Termine keine komplette Akte hatte, sondern ausschließlich eine Anklageschrift. Es war somit auch eine Wundertüte, wie es dann in der Verhandlung lief. Bei Anklageverlesung und dem Schlussplädoyer darf man übrigens stehen. Die freie Rede sollte man vor Menschen schon beherrschen können, um da nicht gänzlich negativ aufzufallen.

    "Die Verhandlung hat erwiesen, dass sich der Angeklagte eines Diebstahls nach § 249 StGB schuldig gemacht hat. Er hat das Service im Laden X ohne Bezahlung eingesteckt und hat damit den Laden verlassen. Rechtfertigungs- oder Strafmilderungsgründe hat er dabei nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Aufgrund des einmaligen Vergehens kann hier auf eine Geldstrafe abgestellt werden. Ich beantrage deshalb eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu 50 €."

    Die Plädoyers sind natürlich wenig spektakulär. Man zaubert da nicht plötzlich sonstige Sachen aus dem Hut, insbesondere nicht die Verteidigung. Also Perry Mason hätte sich gelangweilt. Aber für jemanden, der sich noch in der Ausbildung befand, war das eine große Sache, endlich mal was "Ordentliches" bei Gericht zu machen.

    Dabei habe ich aber gemerkt, dass mein Betätigungsfeld bei Gericht sein muss. Da ging es wirklich spannend zu.

    Demnächst mehr in diesem Kino.

    Ciao
    Martin

    PS: Gerichte, Staatsanwaltschaften etc. sind absolut überlastet. Die Klagefreudigkeit der Menschen nimmt nicht ab. Ein paar Stellschrauben wurden in den vergangenen Jahrzehnten schon eingeführt, um die Überlastung zurückzuschrauben. Aber soviel hat es nicht genutzt. Beim Verwaltungsgericht ist die Verfahrensdauer selten unter einem Jahr, beim Oberverwaltungsgericht dauert es sogar mehrere Jahre.

  9. #34
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Noch´en Nachschlag:

    Körperverletzungen, Unfallflucht, Alkoholfahrten und Sachbeschädigungen als häufigere Delikte habe ich noch vergessen. Eine Sexualstraftat hatte ich zum Glück nur einmal als Anklageschrift vorzubreiten. Den Sachverhalt so aufzuschreiben, dass es nicht wie ein Porno klingt, ist schon schwierig.

    Die Sitzungstermine wurden übrigens mit dem Ausbilder im Nachhinein immer ausgewertet bzw. der gestellte Strafantrag mit dem darauf ergangenen Urteil verglichen. Es war also immer Ziel, möglichst nah am Richterspruch zu landen. Meistens pendelte der sich aber so zwischen Antrag der Anklage und der Verteidigung ein. Das hatte aber auf die Note am Ende der Ausbildungsstation keinen großen Einfluss.

    Ein Richter, den ich zu Anfang der Sitzung stark verärgert hatte (der wollte mich im ersten Fall zu einem konkreten Strafantrag verleiten, den ich dann aber so doch nicht gestellt habe - ein wenig Gewissen war mir verblieben), wich dann bis zum letzten Fall explizit immer von meinen Anträgen ab: Beantragte ich Freiheitsstrafe, gab es eine Geldstrafe. Beantragte ich eine Geldstrafe, gab es eine Freiheitsstrafe. Im letzten Fall war er dann wieder etwas gnädiger mit mir. Es ist schon blöd, wenn Angeklagte den Ärger vom Richter abbekommen, wenn sie nix dafür können.

    Es gab in all meinen Fällen nur einen einzigen Freispruch. Das war was Besonderes und musste im Nachhinein auch besonders beim Ausbilder begründet werden. In dem Fall war der Gerichtssaal auch mal mehr gefüllt als sonst. Der Verteidiger machte schon anfangs Ärger wegen der Anklageschrift, die zu unbestimmt sei. Lehnte der Richter aber ab. Dann änderten zwei Zeugen ihre Aussage in der Verhandlung. Als Anklägervertreter kriegt man da Schaum vor den Mund. Meine bösen Blicke und meine Fragen im Kreuzverhör konnten da nix mehr dran ändern. Die wären ja auch blöd gewesen, weil sie sonst wegen Falschaussage dran gewesen wären. Und so konnte ich die beiden nur ärgerlich angucken. Ich hoffe, die grämen sich deshalb bis heute.
    Also aufgestanden und schweren Herzens das Pladöyer für einen Freispruch gehalten. Der Verteidiger grinste sich eins und schloss sich meinen Ausführungen uneingeschränkt an. Na toll.

    Das durfte ich dann beim Oberstaatsanwalt noch mal darlegen, wie es dazu kam. Er verstand aber, dass in einem solchen Fall nix mehr zu retten war, für die Anklage.

    Ach so in der weiteren Ausbildung hatte ich übrigens einen Staatsanwalt als Arbeitsgemeinschaft-Leiter, der für das organisierte Verbrechen zuständig war. Der erzählte uns auch mal paar Storys. Heute sind die Storys über Mafiastrukturen in manchen Bereichen natürlich nur noch Pillepalle. Aber damals fand ich es faszinierend.

    Mit Grüßen, die ihr nicht ablehnen könnt
    Martin

  10. #35
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    Erst mal danke für Deine Beiträge, Deine Mühe und so … und ich bitte schon vorab um Verzeihung, wenn ich mich hier als Neuling ungebührend und frech verhalte. Ich setze bei Dir ein dickes Fell voraus und was mich angeht, so kannst Du gern fett austeilen. Also, diesen Satz hier:
    Zitat Zitat von Martin 37 Beitrag anzeigen

    …Wer Jura studieren will, sollte anstelle von Latein eher das logische Denken wie in der Mathematik beherrschen….
    hört man oft von Juristen … allein, ich glaube es nicht, die Aussage deckt sich überhaupt nicht mit meiner Erfahrung aus 60 Lebensjahren.

    Oder braucht Ihr das „logische Denken“ nur fürs Jurastudium und tötet es danach ab, wie man eine lästige Fliege mit der Klatsche vernichtet?
    Oder habt Ihr Juristen eine eigene, nur für Euch, Definition des „logischen Denkens“?
    Oder ist das nur ein Marketingspruch?

    Wenn ich etwas bei vielen Juristen (Anwälten, Richtern, Staatsanwälten, Justitiaren, Notaren usw.) vermisst habe, dann „logisches Denken“ und gesunden Menschenverstand. Sowohl mit den eigenen Juristen-Verwandten (allein 3 Cousins von mir sind Juristen), als auch bei der Arbeit und bei privaten Geschäften und Auseinandersetzungen.

    Beispiel:
    Gegeben ist ein abgeschlossener „Raum“ von Ereignissen. Diese beschreiben z.B. Schäden. Es gibt den „Standardschaden“, der in 90% der Fälle auftritt, nennen wir ihn „a“. Und es gibt 20 Ausnahmefälle, nennen wir sie b1, b2 … bis b20.

    Kannst Du mir folgen, lieber Mitflorist?
    Eine von einem Juristen aufzusetzende Satzung soll diese a- und b-Fälle jeweils den Kategorien A und B zuordnen, weil sie nach einem A- oder B-Algorithums abgerechnet werden müssen.
    Was macht der Justitiar?
    Er beschreibt in einem Paragraphen im ersten Satz seitenweise zunächst die b1 - b20 - Fälle und schreibt zu jedem Fall einzeln dazu, dass diese nach dem B-Algorithmus abgerechnet werden.
    Im zweiten Satz des Paragraphen schreibt er: Alle anderen Fälle werden nach A-Algorithmus abgerechnet.
    Den Fall a, den Standardfall, beschreibt er noch nicht mal eingehend!

    Was schreibt dagegen der Informatiker in den Quellcode?

    If a then A,
    Else B.

    Als Nichtjurist liest Du den Text einmal … kopfkratz … he? … wo sind die a-Fälle? Worum geht es hier? Dann liest Du nochmal … dann vielleicht ein drittes Mal, bis endlich der Groschen fällt.
    Ihr verwendet auch eine Geheimsprache. Im Gesetzestext finden wir, statt des einfachen %-Zeichens den Zungenbrecher: „Vomhundertsatz“ … aber das ist nur witzig.

  11. #36
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    @Mort Cinder

    Nixfürungut. Dickes Fell, aber auch Austeilen gehört beim Juristen dazu. Aber im Hobby-Bereich und in der Freizeit halt bißchen weniger oder lieber gar nicht.

    Gesunder Menschenverstand habe ich oben ja schon verneint. Die juristische Logik, ist für den Juristen logisch, aber für den Laien weniger. Trotzdem bedarf es der Gleichung, wenn a dann folgt daraus b. Und wenn c dann d. (etc. pp.).

    Ich hab in meinem Leben schon viele Satzungen geschrieben und beim Verwaltungsgericht erfolgreich verteidigt. Insoweit scheinen es zumindest die Verwaltungsrichter zu verstehen. Für Nichtjuristen ist es, das gebe ich zu, häufig schwer nachvollziehbar. Aber deshalb muss man halt auch lange studieren und dann noch ein Referendariat danach absolvieren. Und perfekt ist man dann immer noch nicht.

    Also nix für ungut, wenn für mich der folgende Maßstab als Justitiar gilt: Gewinne vor dem Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht und im Zweifelsfall noch beim Bundesverwaltungsgericht. Das ist mein Gradmesser und kein Nichtjurist.

    Nixfür ungut
    Schönes Wochenende
    Martin

  12. #37
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Jetzt ist in mir der Ehrgeiz geweckt, ein wenig die Systematik von formellen Gesetzen, Rechtsverordnungen und Satzungen euch näher zu bringen. Dazu nehme ich als Beispiel eine der einfachsten Satzungen aus dem kommunalen Bereich: Die Hundesteuersatzung. Wir sollten als Referendare eine Hundesteuersatzung formulieren und sind alle sehr kläglich gescheitert. Wir habens nicht für voll genommen und haben eher einen Witz draus gemacht: Differenzieren wir die Steuer nach Größe oder Art des Hundes? Wir haben uns wirklich köstlich amüsiert, aber nix Ordentliches auf die Reihe bekommen. Ich habe mal die Hundesteuersatzung der Stadt Gelsenkirchen rausgesucht. Letztendlich sind die aber fast alle gleich.

    1. Steuergegenstand


    Man fängt damit an, wofür man datt Steuer will = Steuergegenstand.

    Gegenstand der Steuer ist das Halten von Hunden im Stadtgebiet.

    2. Steuerpflichtiger


    Wer muss datt zahlen = Steuerpflichtiger

    Steuerpflichtig ist der Hundehalter.

    3. Steuerhöhe

    Wieviel mutte pro Hund blechen = Steuerhöhe

    Die Steuer beträgt jährlich, wenn von einem Hundehalter oder von mehreren
    Personen in einem Haushalt gemeinsam
    a) nur ein Hund gehalten wird, 129,-- EURO,
    b) zwei Hunde gehalten werden, 147,-- EURO je Hund,
    c) drei oder mehr Hunde gehalten werden, 168,-- EURO je Hund,
    (gefährliche Hunde gibbet auch, lass ich mal weg)

    4. Steuerbefreiung


    Gibbet Situationen oder Dinge, wo man nix zu zahlen hat? = Steuerbefreiung

    Steuerbefreiung wird auf Antrag gewährt für ... (Blindenhunde, Diensthunde etc.)

    5. Dauer der Steuerpflicht

    Wann mutte dafür blechen, ab wann, wie lange? = Entstehung und Beendigung der Steuerpflicht

    6. Festsetzung und Fälligkeit


    Wie wird dir gesacht, wann du watt zu zahlen hast? = Festsetzung und Fälligkeit

    7. Kontrolle der Zahlung

    Mutte dich melden und tust ne Hundemarke abkriegen. Tuste umme Hund hängen

    8. Ordnungswidrigkeiten

    Biste nicht brav und tust du nicht, wie befohlen, gibbet Haue = Bußgeld

    _________________

    Ich werde mal so eine überarbeitete, verständliche Satzung schreiben und bei Gericht einreichen. Mal sehen, ob die watt zu Lachen haben.

    Bellende Grüße
    Martin
    Geändert von Martin 37 (11.11.2023 um 21:40 Uhr)

  13. #38
    Mitglied Avatar von frank1960
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    Wie isses, wenn ein Hundeweibchen Mama wird. Müssen die Welpen auch schon Steuern zahlen oder erst, wenn sie erwachsen sind? Oder ist der zeugende Rüde verantwortlich für die Steuern.
    Geändert von frank1960 (11.11.2023 um 22:19 Uhr)
    Ach wär Ich doch ein Junge noch wie einst
    Mit Bastei-Gruß,
    Euer Frank

    Ganz neu: Jetzt auch mit Lehning-Gruß!


    Und alles mit Maschinenschrift und in Bunt!




    Dieser Beitrag wird sich in wenigen Sekunden selbst löschen.

  14. #39
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Zitat Zitat von frank1960 Beitrag anzeigen
    Wie isses, wenn ein Hundeweibchen Mama wird. Müssen die Welpen auch schon Steuern zahlen oder erst, wenn sie erwachsen sind? Oder ist der zeugende Rüde verantwortlich für die Steuern.
    Muss natürlich alles genau geregelt werden. Hundehalter werden es bestimmt kennen:

    § 6
    Beginn und Ende der Steuerpflicht

    (1) Die Steuerpflicht beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Hund
    aufgenommen worden ist, bei Hunden, die dem Halter durch Geburt von einer von
    ihm gehaltenen Hündin zuwachsen, jedoch erst mit dem Ersten des Monats, in dem
    der Hund drei Monate alt geworden ist.
    In den Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 2 beginnt
    die Steuerpflicht mit dem Ersten des Monats, in dem der Zeitraum von zwei Monaten
    überschritten worden ist.
    (2) Die Steuerpflicht endet mit dem Ablauf des Monats, in dem der Hund veräußert
    oder sonst abgeschafft wird, abhanden kommt oder eingeht.
    (3) Bei Zuzug eines Hundehalters aus einer anderen Gemeinde beginnt die
    Steuerpflicht mit dem Ersten des auf den Zuzug folgenden Monats. Bei Wegzug
    eines Hundehalters aus der Stadt Gelsenkirchen endet die Steuerpflicht mit Ablauf
    des Monats, in den der Wegzug fällt.

    Gesetze etc. werden komplexer, weil sie alle möglichen Fälle erfassen müssen, damit keine Gesetzeslücken entstehen. Das macht es dann schwerer zu lesen.

    Ergänzende Grüße
    Martin

  15. #40
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Der Jurist - Das verstaubte Wesen - Aufzucht, Vorkommen, Aussehen und Vermehrung

    1. Aufzucht

    Der Jurist, manchmal auch die Juristin, wird in dunklen Höhlen, Hörsäle genannt, aufgezogen. Frühzeitig werden sie vom Sonnenlicht entfernt gehalten, damit sie sich daran gewöhnen können. Kontakt nach Außen gibt es selten. Sie wachsen ausschließlich unter ihresgleichen auf, sodass man sie für scheue Wesen halten könnte. Jedoch werden sie zu Raubtiere herangezogen, die ihre Beute zerfetzen können, ohnen selber Reißzähne zu haben. Die Schwächsten von ihnen werden gnadenlos eliminiert. Da kennt das JPA (Juristen-Prügel-Anstalt) keine Gnade. Denn nur gnadenlose Exemplare werden unter ihresgleichen geduldet. Jeder von ihnen wird in Form pyschologischer Folter zu einem rücksichtslosen Instrument der willkürlichen Herrschaft des Unverstandes gemacht.

    2. Vorkommen

    Der Jurist, manchmal auch die Juristin, ist Bewohner eines verstaubten kleinen Raumes, der vollgestellt mit Akten, Büchern und alten gammligen Lebensmitteln ist. Es riecht nach abgestandenen, kalten Kaffee. Oftmals ist er vor lauter Qualm schwerlich hinter seinen Büchern auszumachen. Auch hier ist Sonnenlicht selten erwünscht. Aufgrund seiner Lebensweise ist er oftmals Einzelgänger. Nur bei der Jagd trifft man ihn in Rudeln an.

    3. Aussehen

    Der Jurist, manchmal auch die Juristin, ist ein blasser, oftmals an einen Vampir erinnerndes, Individuum. Neben seiner blassen Haut besitzt er oftmals eine dicke Hornbrille, die ihm durch das ständige Lesen in Büchern mit sehr kleiner Schrift schon in jungen Jahren verpasst werden musste. Die Muskeln sind degeneriert. Bewegung schadet diesem Lebewesen. Um in sein Jagdgebiet zu gelangen, nutzt er ausschließlich Hilfsmittel, um seine schwachen Beine zu schonen. Beim Sitzen fällt meistens der sehr schwere Kopf immer nach Vorne herüber, sodass er vom ständigen auf die Tischplatte fallen eine platte Stirn hat. Haare sind dort selten noch anzutreffen.
    Er erscheint damit generell älter als je ein Mensch zuvor gewesen ist. Mitte 40 könnte er dann schon aufgrund seines Aussehens Rente beantragen. Jeder würde ihm abnehmen, dass er bereits über 70 ist.

    4. Vermehrung

    Die Vermehrung erfolgt bei Gericht. Dort sind Ansammlungen dieser Gattung häufig anzutreffen. Zwar wird dort heftigst darum gerungen, wer hier überleben darf. Doch meistens gehen diese Rudeltreffen nur mit leichteren Blessuren zu Ende, wovon der Jurist, manchmal auch die Juristin, sich schnell wieder erholt.


    Artgerechte Grüße
    Martin
    Geändert von Martin 37 (12.11.2023 um 05:36 Uhr)

  16. #41
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Strafrecht und Zivilrecht habe ich sehr kurz hier angesprochen. Doch kommen wir nun zu meinem Hauptgebiet: das öffentliche Recht. Dazu gehört zum einen das Staats- und Verfassungsrecht, auf der anderen Seite das (allgemeine und besondere) Verwaltungsrecht. Dies ist den Bürgern meistens weniger geläufig (und auch den Rechtsanwälten), es sei denn man hat verstärkt Kontakte zu Behörden. Aber wer will die schon haben.

    Zu den bekannteren Themen aus dem Verfassungsrecht gehören die Grundrechte, auf die oftmals Bezug genommen wird. Meinungs- und Kunstfreiheit bis hin zur Zensur fallen da oftmals auch im Comicbereich. Aber was bedeuten eigentlich Grundrechte? Wie weit reichen die? Darf ich dann alles machen, was der freien Entfaltung der Persönlichkeit dient? Natürlich nicht. Die Grundrechte gelten nur gegenüber dem Staat, nie unmittelbar gegenüber Privatpersonen. So darf man wohl seine Meinung gegenüber seinem Chef vehement vertreten. Aber der Chef darf dazu dann auch eine Meinung haben, vielleicht, dass man im Betrieb doch nicht so unersetzlich ist.
    Löscht ein Youtuber oder ein Forenbetreiber einen Beitrag, ist das kein Eingriff in die Meinungsfreiheit und keine Zensur im verfassungsrechtlichen Sinn. Das ist sein gutes recht als Betreiber der Plattform.

    Zudem darf jedes Grundrecht eingeschränkt werden. Dann erfolgt die Prüfung, ob das Grundrecht zurecht eingeschränkt worden ist. Besonders beliebt bei Profs und Studenten sind die Prüfungen im Rahmen der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG (inhaltliche Berufsregelungen, subjektive Zugangsbeschränkungen wie z. B. Numerus Clausus und objektive Zugangsbeschränkungen, auf die man selber keinen Einfluss hat, wie z. B. Zulassung als Notar*in oder Apotheker*in).

    Alltagsrelevanter sind dabei aber das allgemeine und besondere Verwaltungsrecht. Das Straßenverkehrsrecht kennt jeder. Ebenso das Melderecht (ihr habt euch doch bestimmt auch mit eurem Wohnsitz angemeldet?). Wer gebaut hat, kennt noch mehr Rechtsgebiete wie das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht. Asylrecht ist auch in aller Munde. Über das Abgabenrecht brauchen wir auch nicht zu diskutieren. Wer zahlt keine Abgaben an den Staat? Wer ein Gewerbe betreibt, weiß, was da alles zu beachten ist. Aber das alles ist nur die Spitze des Eisbergs, der in den Tiefen lauert. Seit froh, wenn ihr damit nicht kollidiert. Die Verwaltung braucht für jedes Handeln eine Rechtsnorm. Ohne dies geht es nicht. Denn es gilt: Erst muss der liebe Herrgott (das Parlament) ein Gesetz geschaffen haben, das durch die Untertanen (sprich: Verwaltung) in die Tat umgesetzt werden muss. Wer also über die Verwaltung meckert, sollte dies doch eher über die Gesetzgeber tun. Die Verwaltung tut doch nix!

    Das ist für heute ein schöner Schlusssatz. In diesem Sinne: Schönes Wochenende!

    Faule Grüße
    Martin
    Geändert von Martin 37 (24.11.2023 um 07:49 Uhr)

  17. #42
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Heute will ich noch mal kurz aufgreifen, wie das so abläuft, wenn Juristen Gesetze oder Verträge gestalten:

    Politiker 1: Hey Leute, wäre es nicht toll, wenn wir mal watt für die Bevölkerung machen?

    Politiker 2:
    Ja watt denn?

    Politiker 3: : Weiss auch nich. Aber wie wäre es mal mit der Anpflanzung auf den Gartengrundstücken.

    Politiker 1: Tolle Idee. Alle haben ihren Garten fein säuberlich zu gestalten.

    Politiker 2: Quatsch! Da muss ein Urwald herrschen, um die Tierwelt zu retten.

    Politiker 3: Und nun? Ey, Jurist schreib uns mal ein Gesetz zu unseren Vorstellungen auf.


    Gesetz über die Bepflanzung von Hausgärten

    § 1 Gegenstand

    Dieses Gesetz gilt für die Bepflanzung von Hausgärten.

    § 2 Erfasste Hausgärten

    Erfasst werden Hausgärten, die sich in unmittelbarer Nähe zu anderen Gärten befinden.

    § 3 Festsetzungen

    Abs. 1: Hausgärten sind so zu gestalten, dass sie keine nachteiligen Auswirkungen auf die angrenzenden Gärten und Bewohner haben. Die gilt sowohl für ungewollten Samenflug als auch hinsichtlich des optischen Eindruckes.

    Abs. 2: Hausgärten sind zudem so zu gestalten, dass sie der Tierwelt ausreichend Lebensgrundlage bilden.

    _____________

    Ich will hier nur zeigen, dass Juristen aus dem "Blödsinn", den sich andere ausdenken, was machen sollen. Sie gestalten dann aus und haben natürlich das Recht zu sagen, dass manche Regelung nicht so ganz funktioniert. Aber Politiker sind auf diesem Ohr manchmal taub.

    Ein anderes Beispiel: Ihr wollt ein Testament machen. Betrifft wohl den Notar, ist aber das Gleiche in Grün. Auch hier gibt der Jurist Hilfestellung und schreibt euch nicht den Inhalt vor:

    Ich vererbe mein Vermögen an Tante Frieda. Meine Comics vermache ich Onkel Donald, mit Ausnahme des Micky Maus Heftes in der Reprint-Version von 12.05.1987. Meine Spielesammlung geht an Enkel Paul, der aber das nur bekommt, wenn er wöchentlich davon ein Spiel spielt...

    Und so weiter und so fort.

    Dass Politiker nicht immer auf Juristen hören, sieht man am Haushaltsdebakel. Ich glaube nicht, dass da nicht ausreichend Leute vor gewarnt haben, die sich da auskennen.

    Prof. Dr. Driehaus wurde als Spezialist (ehemals tätig beim Bundesverwaltungsgericht und Herausgeber einschlägiger Literatur) mal in einen Landtag eingeladen. Die haben den so zur Weißglut gebracht, dass er nie wieder in ein Parlament wollte. Er stieß da auch noch einige Beleidigungen wegen der Dummheit der Politiker aus. Der war richtig bedient.

    Schönen Sonntag
    Martin

  18. #43
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Zwar habe ich gerade ein wenig Urlaub (muss schließlich im Kalenderjahr wech), trotzdem kurz was Rechtliches. Unter der Rubrik "Die größten Rechtsirrtümer" gab´s letzte Woche zum wiederholten Mal das Thema "verdeckter Mangel" bei einem Werkvertrag (z. B. Hausbau ist da besonders beliebt).

    Rechtslaie: Wenn ich Jahrzehnte nach der Übergabe einen Fehler beim Produkt entdecke, handelt es sich um einen "verdeckten Mangel". Weil ich den vorher nicht gesehen habe, beginnt erst nach dem Auftreteten bzw. Entdecken des Mangels die Frist zur Geltendmachung. Auch 20 Jahre nach Ablauf der Frist mache ich also den Fehler bei meiner Baufirma geltend. Die müssen dafür schon haften. Oder?

    Besserwisser: Dass besondere Regeln für einen ("verdeckten", also bei der Übergabe nicht offensichtlichen) Mangel, den ich nicht sofort gesehen habe, bestehen, ist eine nicht ausrottbare Annahme, die leider nicht stimmt. Der Gesetzgeber hat eindeutige Fristen für die Geltendmachung der Gewährleistung bei Mängeln ins Gesetz geschrieben. Damit wird ein Interessensausgleich geschaffen zwischen Verkäufer und Erwerber. Irgendwann kann man auch nicht mehr nachweisen, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt der Übergabe existierte. Doch das ist Voraussetzung für die Gewährleistung. Eine Garantie kann da weiter gehen. Das ist aber etwas anderes. Ein Verkäufer soll also nicht für ewig gegenüber dem Erwerber haftbar bleiben. Manche denken ja, dass in den Geräten eine Uhr eingebaut ist, wonach die einen Tag nach Ablauf der Gewährleistungsfrist kaputt gehen. Buhuuuu, buhuuuu ....

    Eine Ausnahme gilt aber, wenn mich der Verkäufer/Hersteller arglistig über das Vorhandensein eines Fehlers getäuscht hat. Viel Spaß beim Nachweis der Arglist, wenn ihr glauben solltet, dass das hilft.

    Paranoide Grüße
    Martin
    Geändert von Martin 37 (04.12.2023 um 10:54 Uhr)

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