Ich habe gesehen, dass Manga Passion eine Rezension zum Titel verfasst hat, die durchaus positiv ausgefallen war, aber doch mit einigen Vorbehalten und die zumindest auf ein wenig Widerstand traf. 5-Sterne- und 1-Sterne-Bewertungen sind selten aufschlussreich, aber ambivalente Meinungen sind oft die interessantesten. Das war der Grund, dass ich den Band unbedingt als erstes lesen musste - noch bevor ich die Rezension gelesen habe!
Ich bin auch selbstständig dann zu einem ähnlichen Schluß gekommen - ein durchaus solider Anfang und alleine aufgrund der Perspektive interessant (ownvoices and all that...), aber doch recht seicht und mit Luft nach oben.
Das ist zu einem Teil nicht Schuld des Mangas an sich - mir ist durchaus bewusst, dass meine eigenen Erfahrungen da eine Rolle spielen. Dafür habe ich ein paarmal zu oft auf Twitter gehört, wie sehr LGBT-Manga 'die schwule Erfahrung' gut darstellen und BL-Manga nicht. Ich habe mich schon oft gefragt, was diese 'schwule Erfahrung' sein soll - meine ist es jedenfalls nicht. Das wird mir jedesmal bewusst, wenn ich einen LGBT-Manga lese, mit dem ich mich nicht identifizieren kann oder einen BL-Manga, bei dem ich das kann.
Bei Sozialdramen schraube ich meine Ansprüche hoch - genauso wie Satire. Und wenn ich dann einen Titel lese, der eben nur "ganz normal" ist, bin ich immer ein wenig enttäuscht. Es gibt da nun mal einen gewissen Hang zur Monothematik und Simplifizierung, den ich von anderen Vertretern der Genres nicht kenne - und damit meine ich vor Allem Romane.
Aber das ist auch keine sonderlich produktive Denkweise und sicherlich nicht das, was der Titel verdient hat. Was ich sehr positiv fand, war die Beziehung zwischen Sora und Nao. Sora erscheint, ähnlich wie Tasuku aus 'Wer bist du zur blauen Stunde?' anfangs nicht sonderlich positiv in der Hinsicht, dass es ihn nicht sonderlich kümmert, was Nao darüber denkt, ihn nicht mehr bei seinem Vornamen nennen zu können. (Und auch der Vergleich wurde in der Manga Passion-Rezension schon gemacht - ich schwöre, dass ich selbst drauf gekommen bin!) Sein Versuch, bei den Jungs gut anzukommen führt scheinbar unausweichlich zu einer wachsenden Distanz zwischen ihm und Nao. Aber es ist sehr schön und glaubhaft dargestellt, dass Naos Wissen um seine Sexualität auch in der Hinsicht ihre Freundschaft wieder stärken kann.
Das Thema der Farben beschränkt sich bis jetzt auf Soras Drang zu einer betont ausführlichen Farbbeschreibung, die die Anfangsszene einer stereotypen Dreigroschenheftes für Frauen entspricht:"Mein Name ist Stacy. Meine Augen sind olivgrün bis kakaobraun, aber das kommt auf den Farbeinfall an. Ich trage ein scharlachrotes Kleid mit einem Stich ins fuchsiafarbene und lachsfarbenen Akzenten" Aber ich bin mir sicher, die unausweichlichen Metaphern/Vergleiche werden in den Folgebänden noch kommen. Ich bin jedenfalls gespannt, ob Malerei zumindest ein kleines Thema sein wird.
Erwähnt habe ich ja schon Soras impulsiven Charakter. Das hat mich an zwei Stellen konkret gestört. Die eine war das erste Wiedersehen mit dem alten Herren. Dort denkt er sich Fragen aus, die er stellen könnte, entscheidet sich aber dagegen sie zu stellen, da es zu seinem Outing führen könnte. Aber die erste Frage und (vorsichtig formuliert) die zweite müssten dazu nicht führen. Die erste könnte er einfach stellen und so tun, als ob er nicht verstanden hätte, was der Mann gesagt hat. Für die zweite könnte er fragen, was der Mann mit "Ich mag dich" gemeint hat. Einfach etwas dumm stellen und die Möglichkeit offen halten, dass es freundschaftlich gemeint war.
Die zweite Stelle war die Frage nach dem Lieblingsidol. Mir ist durchaus bewusst, dass Sora sich anpassen möchte. Ich könnte sogar akzeptieren, dass die japanische Gesellschaft Konfomität noch stärker fördert als die westliche. Aber auf die Frage gab es dennoch dutzende von besseren Antwortmöglichkeiten. Nicht auf Idol-Musik zu stehen, sondern andere Genres mehr zu mögen. Musik aus dem Ausland. Ältere Musik. Bands. (Einfach 'ne Metal-Band nennen, die man mal aufgeschnappt hat - da ist egal, ob das nur Männer sind) Die Idol-Industrie nicht unterstützen zu wollen. Oder die gespielt-sardonische Variante:"Anders als ihr gefällt mir Musik wegen der Musik, nicht weil die Künstlerin scharf ist. :o " ...Ich meine, klar, hormonale Teenager, aber irgendein Sternchen am Himmel muss doch auch abseits des Aussehens wegen mögen?
Na ja, aber wie gesagt, sonst ein solider und lesenswerter Band. Freue mich schon auf Band 2.